Stirb langsam- „Anna Bolena“ an der Deutschen Oper Berlin gerät ein wenig zäh

Stirb langsam- „Anna Bolena“ an der Deutschen Oper Berlin gerät ein wenig zäh

Die Belcanto-Opern eines Gaetano Donizetti, die durch große Interpretinnen wie Maria Callas, Joan Sutherland und später Edita Gruberová eine Renaissance auf den Spielplänen erlebten, werden inzwischen seltener aufgeführt. Das liegt mit Sicherheit auch an dem schmalen Angebot von virtuos geführten Stimmen, die diesen Partien gewachsen sind. Donizettis Opern waren immer Vehikel für Primadonnen, die darin glänzen konnten.

Für die aktuellen Neuproduktion der Deutschen Oper fand man in Federica Lombardi eine vorzügliche Gestalterin der Titelrolle. Lombardi gelingt es, die für eine Königin nötige Eleganz zu vermitteln, sie wird zum Kraftzentrum der Aufführung. Ihr facettenreicher, technisch sicherer Sopran besitzt große Leuchtkraft, alle Spitzentöne werden mühelos erreicht und gehalten. Es gelingt der Sängerin, vergessen zu machen, dass diese Anna Bolena eine Belcanto-Partie mit zahlreichen Koloraturen und Trillern ist. Lombardi, mehr an Mozart und Verdi orientiert, hat da deutliche Defizite.

GP Anna Bolena, Berzhanskaya, Lombardi (c) Bettina Stöß

Ihre Gegenspielerin Giovanna Seymour ist eine wesentlich undankbarere Rolle, aber Vasilisa Berzhanskaya setzt ihren dramatischen Mezzosopran eindrucksvoll ein, in den Szenen mit Anna verschmelzen die beiden Stimmen zu perfekter Harmonie. Das Trio der Damen wird ergänzt durch Karis Tucker in der Hosenrolle des Smenton, dem sie ihren vollen Mezzosopran leiht.

Riccardo Fassi gibt einen etwas rauen, ganz als Macho auftretenden Heinrich VIII., RenéBarbera glänzt als Lord Percy mit tenoralem Schmelz und prächtigen, metallischen Spitzentönen. Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Enrique Mazzola finden nach etwas holprigem Beginn dann doch noch zu ihrer gewohnten Souveränität.

Anna Bolena, Lombardi (c) Bettina Stöß

Ein Ärgernis ist leider die Regie David Aldens, der sich planlos zwischen allen Stilen bewegt. Mal verortet er das historische Drama in seiner Zeit, auf einmal ist man wieder im 20. Jahrhundert, speziell die Kostüme sind eine wenig geschmackvolle Mischung beliebigster Art, die wenigen Kulissen könnten durchaus aus Restbeständen stammen.

Die mangelnde Stilsicherheit Aldens setzt sich in der Personenregie fort, die speziell den etwas jähzornigen König als plumpen Haudrauf zeichnet, der schon mal das Ehebett in seine Bestandteile zerlegt. Ganz unmotiviert stehen er und Anna in einer Szene auf einem Tisch, der unglückliche Smenton wird mit Partitur in der Hand als Komponist stilisiert. Keine Schuld trifft Alden an einem Manko dieser Oper: der Dramaturgie.

Die historischen Figuren geben die Eckpunkte der Handlung vor, das Drama ist bis auf die endgültige Verurteilung und Hinrichtung Annas aber eigentlich bereits mit dem Ende des ersten Aktes abgeschlossen. So gerät der Weg bis zum finalen Schwertstreich des Henkers sehr lange und zäh.

Am Ende zeigt sich das Publikum aber sehr angetan von den Leistungen der Sänger, die mit Recht bejubelt werden.

Fotos: Anna Bolena, Lombardi, Fassi (c) Bettina Stöß

Anna Bolena
von Gaetano Donizetti

Tragedia lirica in zwei Akten

Musikalische Leitung: Enrique Mazzola
Inszenierung: David Alden
Ausstattung: Gideon Davey
Lichtdesign: Elfried Roller

Anna Bolena     Federica Lombardi
Enrico VIII.     
Riccardo Fassi
Giovanna Seymour     
Vasilisa Berzhanskaya
Lord Rochefort     
Padraic Rowan
Lord Riccardo Percy     
René Barbera
Smeton     
Karis Tucker

Orchester
Chor und Statisterie der Deutschen Oper Berlin

Deutsche Oper Berlin, 19. Dezember 2023

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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