„Chicago“ an der Komischen Oper Berlin: A touch of Broadway

„Chicago“ an der Komischen Oper Berlin: A touch of Broadway
Chicago Ein Musical–Vaudeville [1975] John Kander / Bob Fosse / Fred Ebb Ein Musical–Vaudeville [1975] Buch von Fred Ebb und Bob Fosse Musik von John Kander Songtexte von Fred Ebb (nach dem Stück Chicago von Maurine Dallas Watkins) Deutsch von Erika Gesell und Helmut Baumann Musikalische Leitung: Adam Benzwi Inszenierung: Barrie Kosky Bühnenbild: Michael Levine Kostüme: Victoria Behr Choreographie: Otto Pichler Dramaturgie: Johanna Wall Chöre: Jean-Christophe Charron Licht: Olaf Freese Foto: Barbara Braun Ruth Brauer-Kvam (Velma Kelly)

Nun ist also auch der Komischen Oper das Schicksal mehrerer Bühnen in der Hauptstadt nicht erspart geblieben: sie muss umfangreich saniert werden, und im Schillertheater vorübergehend Zuflucht suchen. Zum Einstand griff man auf das Erfolgsmusical „Chicago“ zurück, das in Berlin zumindest in Gastspielen bereits zu sehen war.

Die Geschichte um zwei junge Frauen in Chicago, die Morde begangen haben, aber sich mit Hilfe eines cleveren Anwalts und einer manipulierten Presse einen Freispruch erschwindeln, beruht tatsächlich auf nur leicht veränderten Tatsachen. Soweit der Plot, der noch nicht unbedingt bühnentauglich wäre, hätten die Autoren nicht flapsige Dialoge und vor allem spritzige, kesse Musik dazu erfunden.

Bereits ab der ersten Gesangsnummer, die auch hinreißend choreographiert ist, folgt das Publikum mit wachsender Begeisterung dem Geschehen auf der Bühne, das in rasantem Tempo die Geschichten von Velma und Roxie erzählt. Die beiden finden in Maria-DanaëBansen und Katharina Mehrling Interpretinnen, die in Spiel, Gesang, und Tanz mit Sicherheit auch broadway-tauglich wären. Aber man ist froh, sie hier vor Ort zu haben und sich von ihnen in das Chicago der 1920er Jahre entführen zu lassen. Den beiden ebenbürtig sind die Gefängnisaufseherin Mama Morton der Sigalin Feig, die über eine Menge herben Charmes verfügt, und die Reporterin Mary Sunshine, von Countertenor Nils Wanderer als schrille Travestie.

Die männlichen Darsteller haben bei so viel Frauenpower das Nachsehen, aber Nicky Wuchinger gelingt es als charakterlosem Anwalt Billy Flynn zumindest die Lacher auf seiner Seite zu haben, ebenso wie Philipp Meierhöfer, der den gehörnten Ehemann Amos mit so markanter Unauffälligkeit interpretiert, das er sehr wohl wahrgenommen wird.

Die Aufführung steht und fällt mit der Qualität der Choreographie. Diese liegt in den bewährten Händen von Otto Pichler, dessen Arbeiten an der Behrenstraße seit vielen Jahren Kult sind. Das hat Witz und Pepp, Schwung und virtuose Qualität. Dem Regisseur Barrie Kosky bleibt da nicht mehr viel zu tun, auch ein Bühnenbild ist in diesem Fall verzichtbar, ein stilisiertes Gitter, das auf den Schauplatz im Gefängnis hinweist, reicht völlig aus.

Adam Benzwi am Pult des Orchesters der Komischen Oper entlockt ihm fetzigen Sound und die Chorsolisten erweisen sich als perfekte Gesangsdoubles der Tänzer. Nach donnerndem Applaus verlässt man beschwingt das Theater und ist fast überrascht, davor nicht den pulsierenden Broadway, sondern die dröge Bismarckstraße vorzufinden. Hoffentlich ist diese Produktion ein gutes Omen für die bevorstehenden Jahre im Ausweichquartier Schillertheater.

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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