Schuberts „Schöne Müllerin“ wird erfrischend, gleichzeitig spröde interpretiert

Schuberts „Schöne Müllerin“ wird erfrischend, gleichzeitig spröde interpretiert

An Einspielungen von Schuberts Liederzyklus herrscht wahrhaftig kein Mangel. Hier ein neues interpretatorisches Ausrufungszeichen zu setzen ist nicht leicht, aber bei der Einspielung von Hasselhorn und Bushakevitz horcht man bereits beim ersten Lied auf. Von biedermeierlicher Genügsamkeit und Beschaulichkeit ist hier nichts zu spüren.

Hasselhorn setzt seinen kräftigen, farbenreichen Bariton sehr differenziert ein, es gelingen ihm zahlreiche Abstufungen der Lautstärke, der Stimmfarben, der Dynamik und Registerwechsel, wobei ihn der großartige Pianist Ammiel Bushakevitz mit zum Teil verblüffenden Tempowechseln und ungewohnten Intervallen unterstützt. So entwickelt sich eine durchaus ungewöhnliche, in Teilen spröde Interpretation, die mit altgewohnten Hörgewohnheiten bricht. Hasselhorn nutzt die Modulationsfähigkeit seiner Stimme zu einer Auslotung der Texte, die man so noch selten gehört hat.

Die beiden Künstler entwickeln ihre ganz persönliche Dramaturgie für den Zyklus. Bereits im ersten Drittel, als der Müllerbursche noch hoffnungsvoll von den Fortschritten seiner Liebeswerbung berichtet, schleichen sich herbe, nachdenkliche Töne ein. Es sind immer wieder die zögerlichen Tempi, das Innehalten im Erzählfluss, die diese Interpretation besonders machen. Wilhelm Müllers Texte nimmt man so deutlich vielschichtiger wahr, als sonst.

Spätestens bei „Die gute Farbe“ und „Die böse Farbe“ ändert sich der Duktus des Vortrags, die Verletzlichkeit und der erfahrene Kummer des Protagonisten verändert die Stimmfarbe Hasselhorns, die Farben werden fahler. In den letzten Liedern gelingt es den Künstlern, jede Sentimentalität zu vermeiden, die sonst häufig das Finale des Zyklus beeinträchtigen.

Samuel Hasselhorn hat in den letzten Jahren nach dem Sieg bei verschiedenen Gesangswettbewerben eine Bilderbuchkarriere gemacht. Inzwischen  wird er offenbar mit Angeboten auch von Opernhäusern überhäuft, aber ist klug genug, genügend Raum für Liederabende zu lassen, die schon heute eine große Reife der Interpretationen verraten.

Hasselhorn und Bushakevitz haben angekündigt, eine Serie von weiteren Liedeinspielungen zu planen, Lieder jeweils 200 Jahre nach ihrer Entstehung einzuspielen. Das ist ein Projekt, dem man mit großer Vorfreude entgegensieht.

Franz Schubert
Die schöne Müllerin

Samuel Hasselhorn
Ammiel Bushakevitzer 2023

Harmonia mundi HMM 902720

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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