Richard Strauss‘ „Daphne“ stirbt Unter den Linden den Kältetod im Dauerschneefall

Richard Strauss‘ „Daphne“ stirbt Unter den Linden den Kältetod im Dauerschneefall

Man hatte sich gefreut, diese selten gespielte Oper von Strauss nach reichlich zwei Jahrzehnten wieder auf einer Berliner Bühne zu sehen. Schnell war aber klar, dass diese Inszenierung geradezu rekordverdächtig weit entfernt von Libretto und Musik etwas vordergründig von Klimawandel und Naturzerstörung handelte, wobei der Regisseur Romeo Castellucci, der auch für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlich war, dem Werk von der ersten bis zur letzten Szene Gewalt antat. Man könnte Seiten füllen mit der Aufzählung seiner geschmacklichen Entgleisungen.

Aber zuerst zum musikalischen Teil der Aufführung. Thomas Guggeis, der so etwas wie der GMD der Herzen Unter den Linden geworden ist, beweist erneut seine Kompetenz in Sachen Richard Strauss. Das Orchester der Berliner Staatskapelle blüht unter seinen Händen auf, er setzt auch kräftige Akzente. Dass er stellenweise das Orchester deutlich zurücknimmt, ist wohl einer Schonung der Sänger geschuldet, die in dieser üppig instrumentierten Musik leicht untergehen können. Das gilt nicht für den Peneos von René Pape, dessen kerniger Bass nach wie vor eine sichere Bank ist. Ihm ebenbürtig die Gaea von Anna Kissjudit, deren sonorer, ja fast orgelnder Mezzosopran ebenfalls auf der Habenseite der Aufführung steht. Der kapellmeisterlichen Unterstützung bedurften aber deutlich die beiden Tenöre. Als Leukippos war wohl erst kurzfristig Magnus Dietrich aus dem Opernstudio der Staatsoper eingesprungen. Er verfügt über einen schönen lyrischen Tenor, dem aber doch noch der letzte Schliff zu fehlen scheint.

Problematischer lag der Fall beim Gott Apollo, für dem es Pavel Černoch an Kraft und Volumen mangelte. Zwar verfügt er über einen ausgesprochen schön und farbenreich timbrierten Tenor, aber ein wenig musste man zittern, ob er diese eindeutig heldische Partie auch durchhält. Es ging gut, aber vielleicht sollte Černoch besser von solchen Kraftakten die Finger lassen.

Vera-Lotte Boecker (Daphne), Pavel Černoch (Apollo) (c) Monika Rittershaus

Vera –Lotte Boecker stattete die Titelrolle mit großem Liebreiz und glasklarem, höhensicherem Sopran aus. Das war purer Schöngesang und große Phrasierungskunst, aber auch hier scheint mir die Fachgrenze erreicht, oder sogar überschritten. Diese Strauss’schen Bögen und Registerwechsel wollen gesungen sein, und trotz der Kürze der Oper wird der Daphne Einiges abverlangt.

Vera-Lotte Boecker (Daphne) (c) Monika Rittershaus

Das Ärgernis ist der optische Teil der Aufführung. Castellucci, als bildmächtig gerühmt, liefert für diese Produktion ödes Rampentheater, fast ohne Requisiten im Dauerschneefall ab. Was den Regisseur auf die Idee brachte, dieses Werk, das vom Frühling, von Paarung und Sonne handelt, im Schnee spielen zu lassen, bleibt sein Geheimnis, eine gute Idee war es jedenfalls nicht. Die Personenführung ist fahrig, ohne Konzept und das große Fest des Dyonisos mutet wie eine aus dem Ruder gelaufene Apres- Ski- Gaudi in Ischgl an. Spätestens in der Schluss-Szene, als Daphne sich nicht in einen Lorbeerbaum verwandelt, sondern in einem selbst geschaufelten Schneeloch versinkt, setzt das Fremdschämen ein. Wenig optische Freude wecken auch die Kostüme, Castellucci scheint dafür die Winter-Abteilung von Primark geplündert zu haben, die arme Daphne muss fast den ganzen Abend in ebenfalls wenig kleidsamer Unterwäsche im Schnee unterwegs sein.

Am Ende durchaus differenzierter Beifall, Guggeis erhält einige Buhs (wofür?), ebenso Castellucci (viel zu wenig!). Man hofft insgeheim, diese Inszenierung würde im bald zu erwartenden Frühling einfach wegschmelzen.

Vera-Lotte Boecker (Daphne) (c) Monika Rittershaus

Richard Strauss  Daphne
Bukolische Tragödie in einem Aufzug (1938)
Text von Joseph Gregor

Daphne  Vera-Lotte Boecker
Peneos  René Pape
Gaea  Anna Kissjudit
Leukippos  Magnus Dietrich
Apollo  Pavel Černoch

Regie, Bühnenbild, Kostüme  Romeo Castellucci
Thomas Guggeis Dirigent

Staatsoper Unter den Linden, Premiere am 19. Februar 2023

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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