Die Operetten von Johann Strauß, allen voran seine „Fledermaus“, gelten zurecht als Gipfelpunkte der goldenen Zeit dieses Genres. Sich an eine Bearbeitung dieses Juwels zu wagen, ist ein hohes Risiko.
Diese Produktion des Casinotheaters Winterthur, die nun an der Komischen Oper Berlin gezeigt wird, geht dieses Risiko ein – und siegt auf der ganzen Linie! Es ist geradezu atemberaubend, mit welcher Virtuosität und Spielfreude alle Solisten die Musik von Strauß im Schnelldurchlauf pointiert und höchst gekonnt interpretieren. Das Erfolgsgeheimnis liegt wohl darin, dass das Original nicht wirklich angetastet wird, es wird nichts von der großartigen Musik weggelassen, man erlebt sie aber in der geschickt arrangierten Fassung für ein kleines Kammerensemble gänzlich neu.
Die Aufführung hat ein ungeheuer flottes Tempo, eine Pointe jagt die nächste, man kommt aus dem Lachen nicht heraus. Dabei bleibt der Humor immer auf hohem Niveau, billige Kalauer werden vermieden. Auf Requisiten und Bühnenbilder wird komplett verzichtet, das kleine, exquisite Ensemble von Musikern und Musikerinnen sitzt im Bühnenhintergrund auf einem Podest und wird manchmal sogar in die szenischen Aktionen einbezogen.
Gelingen kann so eine Aufführung aber nur mit ausgezeichneten Solisten. Und daran wurde in diesem Fall nicht gespart. Fulminant die Rosalinde als Travestie vom hinreißenden Christoph Marti in den Mittelpunkt der Handlung gerückt. Der Ehemann Eisenstein findet im trockenen Humor von Tobias Bonn einen adäquaten Gegenspieler, für den Sänger Alfred hat Alen Hodzovic genau den erforderlichen schmachtenden Tenor. Gabriela Ryffel gibt das Stubenmädchen Adele mit Spitzentönen garniert äußerst kapriziös. Ihrem satten Mezzosopran entlockt Stephanie Dietrich als Orlofsky geradezu orgelnde Töne. Auch Max Gertsch als Dr. Falke, Franz Frickel als Gefängnisdirektor Frank, und Nini Stadlman als Adeles Schwester Ida überzeugen.
Den Vogel schießt Stefan Kurt, der gerade noch am Haus als Transvestit Zaza im „Cage aux folles“ Triumphe feierte, in der Doppelrolle als Dr. Blind und Gefängniswärter Frosch ab. Es gelingt ihm zu Beginn des dritten Aktes, das Publikum als Alleinunterhalter bei der Stange zu halten und eine Pointe nach der anderen zu servieren. Einziger kleiner Einwand: das Lied „Bin ich denn ein Kiosk“ des Schweizer Entertainers Emil wirkt in der Gesellschaft der Strauß’schen Melodien doch etwas deplatziert.
Bewundernswert ist die Präzision, mit der das Ensemble die quirlige Inszenierung ablaufen lässt, man fühlt sich wie in einem atemberaubenden Medley der Musik des Walzerkönigs. Schon nach wenigen Minuten springt der Funke auf das Publikum über und die gute Laune schwappt von der Bühne in den Saal. Eine bessere Medizin inmitten von Wintergrau und Dauerkrise ist nicht denkbar!
Die Rache der Fledermaus
nach Die Fledermaus von Johann Strauß in einer Bearbeitung von
Stefan Huber und Kai Tietje
Inszenierung Stefan Huber
Musikalische Leitung Kai Tietje
Gastspiel des Casinotheaters Winterthur
Komische Oper Berlin, Premiere am 10. Februar 2023
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de