„La Cage aux Folles“ an der Komischen Oper Berlin: Barrie Kosky beschwört den Geist der 80er-Jahre

„La Cage aux Folles“ an der Komischen Oper Berlin: Barrie Kosky beschwört den Geist der 80er-Jahre

Auch nach dem Ende seiner Intendanz bleibt der umtriebige Barrie Kosky der Komischen Oper als Regisseur erhalten. Und das ist auch gut so! An diesem Premierenabend zieht er einmal mehr alle Register seiner Könnerschaft und reißt das Publikum am Ende zu einem wahren Applaus-Orkan hin.

Das aus den frühen 1980er-Jahren stammende Musical nach dem Theaterstück „Ein Käfig voller Narren“ hat in mehr als einer Form Theatergeschichte geschrieben. Als erstes Stück am Broadway, das Homosexualität thematisierte, brach es noch einige Tabus, durch seinen Erfolg trug es aber auch zu einem entspannteren Umgang mit der Thematik bei. Die Produktion am Theater des Westens 1985 in Berlin wurde zu einem Riesenerfolg, bis heute wird das Musical weltweit aufgeführt.

Die Botschaft des Stückes, Akzeptanz für Andersartigkeit ist heute aktueller denn je, wenn bestimmte Aktivisten auch des Guten zu viel tun, und durch maßlose Übertreibungen ihrer Sache eigentlich schaden.

Koskys perfekt getimte Revue, und nichts anderes ist dieses Musical, lässt Zweifel an der Aktualität des Themas gar nicht erst aufkommen. Schon die Möblierung des ersten Aktes spricht Bände, eine Tapete mit Motiven des schwulen Kult-Cartoonisten Tom of Finland setzt eine deutliche Marke, phallische Blumenvasen hätte es da gar nicht mehr gebraucht. Die Rahmenhandlung, die dann doch ein wenig aus der Zeit gefallen scheint, ist im Grunde mehr Alibi für eine Hommage an queere Menschen und Drag-Queens . Das quietschbunt gewandete Ensemble von Sängern und Tänzern ist raffiniert zusammengestellt, optisch hat man die liebe Not, Männlein und Weiblein zu unterscheiden, was durchaus ein beabsichtigter Effekt ist. Die Virtuosität dieses singenden und akrobatisch tanzenden Ensembles hat Weltklasse, der Choreograph Otto Pichler hat hier wieder einmal aus dem Vollen geschöpft und das Publikum jauchzt förmlich vor Vergnügen.

Foto: (c) Monika Rittershaus

Die Voraussetzung für eine gelungene Aufführung dieses Stückes ist die stimmige Besetzung der Hauptrolle des Albin, der als Drag-Queen Zaza Star des Cabarets und damit des Musicals ist. In Stefan Kurt hat Kosky eine Idealbesetzung gefunden. Der unauffällig wirkende Schauspieler bringt es fertig, sich vor den Augen des Publikums in eine attraktive Frau zu verwandeln und zu genau der glamourösen Figur zu werden, die der Dreh-und Angelpunkt des Stückes ist.

Foto: (c) Monika Rittershaus

In Peter Renz hat er einen adäquaten Partner als Lebensgefährten Georges, die beiden stellen glaubwürdig ein gealtertes Ehepaar der etwas anderen Art dar. Für schrille, aber höchst originelle Einlagen sorgt das Hausfaktotum Jacob, am Besetzungszettel als Daniel Daniela Ojeda Yrureta ausgewiesen, der / oder die aus dem Stand in den Spagat wechseln kann und unglaubliche Gesangstöne gepaart mit spanischen Schimpfworten von sich gibt. Hinreissend! Dass der einstige Star der Berliner Aufführung im Theater des Westens, Helmut Baumann mit 83 Jahren in der kleineren Rolle der Jacqueline auftritt, ist eine rührende Reminiszenz an diese legendäre Produktion.

Die Partitur des Musicals ist mit Ausnahme des populären „I am what I am“ nicht übermäßig originell, bietet aber für die umfangreichen Show- Szenen fetzigen Rhythmus und Pepp. Das Orchester unter Koen Schoots spielt hoch motiviert und temperamentvoll auf, die Aufführung erreicht einen Drive, der das Publikum hörbar und sichtbar mitreißt. Als in den orkanartigen Schlussapplaus auch noch geschredderte Alu-Folie von der Saaldecke regnet, ist das Premierenglück vollkommen.

La Cage Aux Folles
(Ein Käfig voller Narren)
Jerry Herman

Musical in zwei Akten [1983]
Musik und Gesangstexte von Jerry Herman
Buch von Harvey Fierstein
Nach dem Stück Ein Käfig voller Narren von Jean Poiret
Deutsch von Martin G. Berger

Besetzung:

Georges  Peter RenzAlbin/Zaza
Stefan KurtJacqueline
Helmut Baumann
u.v.a.

Inszenierung   Barrie Kosky
Dirigent  Koen Schoots

Chorsolisten, Komparserie und Tanzensemble der Komischen Oper Berlin, Es spielt das Orchester der Komischen Oper Berlin.

Komische Oper Berlin, Premiere am 28. Januar 2023

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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