Regine Crespin- eine Hommage

Regine Crespin- eine Hommage
© Warner Classics

Die Oper „Prima Donna“ von Rufus Wainwright, 2009 mit eher mäßigem Erfolg uraufgeführt, entstand nach Bekunden des Komponisten angeregt und inspiriert durch Interviews, die Maria Callas viele Jahre zuvor gegeben hatte.

Im Stück gibt er der Protagonistin aber den Vornamen Regine, damit ist klar, dass er auch, oder sogar hauptsächlich die französische Sopranistin Regine Crespin im Sinn hatte, als er das tragische Leben eines Opernstars zum Thema machte.

Ein genauer Blick auf die Vita der Französin offenbart ein Schicksal, dass sehr wohl genügend Stoff gleich für mehrere Opern liefern würde, und dem der Callas an Dramatik ähnlich ist, auch zahlreiche Parallelen aufweist.

Die 1927 in Marseille geborene, und im südfranzösischen Nimes aufgewachsene Tochter eines Schuhhändlers und einer Mutter mit italienischen Wurzeln, erfährt trotz einer behüteten Kindheit durch den Alkoholismus der Mutter schon frühes Leid und entwickelt dadurch Ängste, die auch die über alles geliebte italienische Großmutter nicht gänzlich ausräumen kann. Gerade vierzehnjährig erlebt sie den Tod der Mutter an einer Gehirnblutung und wird diese traumatische Erfahrung ein Leben lang nicht ganz überwinden.

Ihr Gesangstalent zeigt sich schon früh, aber an ein Gesangsstudium ist vorerst nicht zu denken, der bürgerlich konservative Vater lehnt das kategorisch ab. Erst nach endlosen Diskussionen kann sie das vorgesehene Studium der Pharmazie gegen eine Gesangsausbildung am Pariser Konservatorium tauschen. Nach erfolgreichem Abschluss debütiert sie in Mulhouse als Elsa in Wagners „Lohengrin“, diese Rolle singt sie bereits im folgenden Jahr auch an der Pariser Oper. Den Durchbruch bringt ihr 1957 die Partie der Madame Lidoine bei der französischen Erstaufführung von Poulencs „Dialogues des Carmelites“.

Im gleichen Jahr arrangiert Andre Cluytens für sie ein Vorsingen bei Wieland Wagner in Bayreuth, der sie spontan als Kundry für die nächsten Jahre engagiert. Ihm schwebt als Kontrast zu der dunklen Martha Mödl eine blonde, mediterrane Stimme vor. Dieses Engagement wird für Regine Crespin zum Schicksal. Für das Studium des deutschen Textes wird ihr der elsässische Germanistikprofessor Lou Bruder empfohlen, mit dem sie eine stürmische Affäre beginnt, und den sie schließlich heiratet. Noch während des Rollenstudiums wird sie schwanger, entschließt sich aber zu einem Abbruch. Spätere Versuche, Mutter zu werden scheitern, und die Reue über die Abtreibung wird zu einer traumatischen Belastung. Ihre Bayreuther Kundry aber wird zum großen Erfolg während der Festspiele 1958 bis 1960. Im Sommer 1961 ist sie am Grünen Hügel als Sieglinde in der „Walküre“ Rudolf Kempes zu erleben.

Peter Sommeregger / Regine Crespin
© Marner Classics

Crespins Karriere entwickelt sich von da an rasant, sie singt in Wien, San Francisco, Chicago, London und erweitert ihr Repertoire des jugendlich-dramatischen Faches kontinuierlich, auch erste Schallplattenaufnahmen entstehen zu dieser Zeit. Ein Meilenstein ihrer Karriere wird die Verpflichtung als Brünnhilde durch Herbert von Karajan für seine neu begründeten Salzburger Osterfestspiele, die er mit der „Walküre“ beginnt. Karajan wünscht sich als Brünnhilde eine mehr lyrische Stimme, eine zartere, menschlichere Interpretation der Rolle, gleichsam eine Anti-Nilsson. Die im Vorlauf 1966 aufgenommene Plattenaufnahme stößt zum Teil auf herbe Kritik, das Publikum will sich mit dieser Sichtweise nicht zufrieden geben. Ein halbes Jahrhundert später, da es an überzeugenden großen Wagnerstimmen mangelt, muss man Karajans Idee als visionär empfinden. Crespins Brünnhilde entwickelt eine anrührende Zartheit, eine Schönheit des Tons und ein in dieser Partie kaum je gehörtes Piano. Klug beraten belässt sie es bei der ersten der drei Brünnhilden, schont damit ihre Ressourcen und schreibt dennoch Interpretationsgeschichte.

Im Gegensatz zu ihren Erfolgen auf der Bühne wie dem Konzertpodium nimmt ihr Privatleben eine zunehmend unglückliche Wendung. Die Ehe mit Lou Bruder, die von Beginn an einen stürmischen Verlauf nahm, wird zu einer immer stärkeren Belastung für die Sängerin Crespin. Nach schweren inneren Kämpfen verlässt sie ihn schließlich, aber bei der Wahl ihrer Partner beweist sie auch nach dieser Trennung keine glückliche Hand. Eine höchst diffizile Beziehung mit einem Südamerikaner zerbricht an der nicht eingestandenen Homosexualität des Mannes. Vier Jahre lang hat sie eine Affäre mit dem afro-amerikanischen Dirigenten Henri Lewis, dem geschiedenen Mann ihrer Kollegin Marilyn Horne. Diese Liaison ist belastet durch einen Rassismus-Komplex, den Lewis nicht überwinden kann.

Während dieser Zeit erhält sie eine Krebs-Diagnose, die naturgemäß ihr Leben auf den Kopf stellt. Nach einer erfolgreichen Operation kämpft sie sich aber erfolgreich wieder zurück ins Leben und ihre Karriere. Bereits ab 1962 singt sie regelmäßig an der Metropolitan Opera in New York und am Teatro Colon in Buenos Aires. Die ganze Welt ist nun ihre Bühne. Eines ihrer Stammhäuser wird die Oper von San Francisco, aber auch die Scala di Milano, die Deutsche Oper Berlin und die Wiener Staatsoper verlangen immer wieder nach ihr. Parallel zu ihrer Bühnenkarriere wird sie als Pädagogin tätig, gibt Meisterklassen und unterrichtet fünfzehn Jahre lang am Pariser Konservatorium. Auch eine zweite Krebserkrankung überwindet sie mit ihrer positiven Energie.

Ende der 70er-Jahre fügt sie ihrem Repertoire auch Mezzo-Partien wie die Carmen, Menottis „Medium“, die Charlotte in „Werther“ hinzu.

In ihren leider nur in französischer und englischer Sprache erschienen Memoiren berichtet sie mit entwaffnender Offenheit über ihr Leben, selbstkritisch einerseits, emphatisch andererseits, wenn es um die ihr Leben bestimmenden und begleitenden Menschen geht. Reflexionen über das Wesen des Gesangs, verbunden mit unaufdringlichen Ratschlägen für junge Sänger und eine neidlose Würdigung von Kollegen machen diese Lebenserinnerungen La vie et l’amour d’une femme, bzw. On stage – off stage lesenswert.

1989 nimmt sie ihren Abschied von der Bühne, 1992 beendet sie auch ihre Lehrtätigkeit und zieht sich endgültig ins Privatleben zurück. 1997 erscheinen ihre Memoiren in einer erweiterten Neuausgabe. Ein drittes Mal erkrankt sie an Krebs, und diesmal verliert sie den Kampf. Am 5. Juli 2007 stirbt sie in Paris an Leberkrebs.

Regine Crespins Karriere fand zu einer Zeit statt, in der sie mit übergroßer Konkurrenz zu kämpfen hatte. In dieser Zeit beherrschten eine Maria Callas, eine Renata Tebaldi, später eine Montserrat Caballe, im deutschen Fach eine Birgit Nilsson, eine Leonie Rysanek die Opernszene und die großen Schallplatten-Produktionen. Dass es Crespin trotzdem gelang, eine Weltkarriere zu machen und auch bei internationalen Platten-Einspielungen berücksichtigt zu werden, verdankt sie sicher der Unverwechselbarkeit ihres warmen, fraulichen Timbres, dessen Farbe man mit matt schimmerndem Perlmutt vergleichen kann. Sie gehört zu den Sängerinnen, von denen man nur eine kurze Phrase hören muss, um zu wissen: Regine Crespin!

Regine Crespin auf Tonträgern Warner Classics 0190295886714 10 CD

In den 1950er-Jahren und danach stand die Französische Oper nicht allzu hoch im Kurs, das mag ein Grund dafür sein, dass Crespin sich überwiegend dem italienischen und deutschen Repertoire verschrieb. Die einzelnen CDs der Box geben 1:1 den Inhalt der Original-LPs wieder, inklusive des ursprünglichen Covers, eine schöne Reminiszenz für Sammler. Sie folgen auch der Chronologie von deren Veröffentlichung. Nach einem gemischten Programm mit Arien von Rossini, Verdi, Wagner und Berlioz folgt ein ausschließlich Wagner gewidmetes Album, das daran erinnert, dass Crespin in den 50er-Jahren gern gesehener Gast in Bayreuth war und über eine idiomatisch erstaunlich saubere Diktion verfügte. Erst das dritte Album ist der französischen Oper gewidmet, das vierte bietet eine Auswahl verschiedener italienischer Opernarien.

Die fünfte CD, eine Übernahme von der DECCA ist wohl Crespins bekannteste und erfolgreichste LP gewesen. Unter Ernest Ansermet singt sie die Sheherezade von Ravel und die Nuits d’ete von Berlioz. Hier, in ihrem eigenen Idiom ist sie besonders hinreißend, ihre leicht hauchige Stimme, technisch hervorragend geführt, verfügt über eine reiche Palette an Klangfarben.

Die sechste CD, ausschließlich dem Komponisten Verdi gewidmete Album präsentiert die Sängerin auch in Rollen, die sie auf der Bühne wohl nie gesungen hat. Ausgerechnet bei Verdi machen sich vereinzelt Schärfen in extremen Lagen bemerkbar, können den Gesamteindruck aber nicht wirklich trüben.

Die CDs 7 und 8 sind der Liedsängerin Crespin gewidmet. Auch auf diesem Gebiet zählte sie zu den Großen ihrer Zunft. Neben den Liedern verschiedener französischer Komponisten sind es besonders die deutschen Lieder von Schumann und Wolf, die hier überzeugen, nicht zuletzt wegen der guten Textverständlichkeit.

Die CDs 9 und 10 sind schließlich den Opernquerschnitten gewidmet, bei denen man bedauert, dass Crespin z.B. die Herodiade von Massenet oder die Trojaner von Berlioz nicht komplett eingespielt hat. Als Kuriosum kann man eine französisch gesungene Tosca betrachten.

Für die DECCA hat Regine Crespin komplette Aufnahmen der Walküre und des Rosenkavaliers, beide unter Georg Solti eingespielt, ebenso einen Don Quichotte von Massenet unter Kazimierz Kord, bei der Deutschen Grammophon erschien die Walküre unter Karajan, Die „Grand Duchesse de Gerolstein“ kam bei CBS heraus.

Erfreulicherweise existieren aber auch auf dem so genannten Graumarkt unzählige Mitschnitte von Aufführungen mit der Crespin. Das Label Prima Music beispielsweise veröffentlichte eine Doppel-CD mit hoch interessanten Raritäten, so mit Ausschnitten aus einem Fidelio unter Otto Klemperer. Ihre Bayreuther Auftritte sind gleich auf mehreren Labels erschienen. Von ihren über 120 Auftritten an der Met sind ebenfalls zahlreiche Mitschnitte zu haben. Der Sammler und Liebhaber findet hier ein reiches Feld.

Zuerst erschienen bei www.orpheus-magazin.de

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