Der designierte Chefdirigent der Berliner Philharmoniker versteht es, sich rar zu machen, wobei man das Kirill Petrenko keineswegs als Koketterie auslegen darf. Sein hoher Anspruch an sich selbst, seine Vertragstreue die Münchner Verpflichtungen betreffend haben dafür gesorgt, dass die Berliner Philharmoniker und ihr Publikum von Petrenko seit seiner Wahl im Jahr 2015 nicht viel zu hören und zu sehen bekamen.
Eine dieser raren Gelegenheiten war das Konzert vom März 2017, dem ersten, das Petrenko nach seiner Wahl mit den Berlinern spielte.
Nachträglich vom Dirigenten, dem Orchester, und auch den Tontechnikern als für eine Veröffentlichung würdig befunden, ist es nun die erste (von einem Werk John Adams‘ in der ihm gewidmeten Box abgesehen) CD-Produktion Petrenkos mit den Berliner Philharmonikern.
Der Dirigent macht kein Hehl aus seiner starken Affinität zu diesem Komponisten seiner russischen Heimat. Petrenko begreift Tchaikowskys Symphonien als autobiographische Erzählungen, die das mit Worten nicht Auszudrückende wiedergeben. Sein hoch sensibler Ansatz lässt auch tatsächlich dieses letzte Werk des Komponisten, der die Uraufführung nur um wenige Tage überlebte, teilweise mit ganz ungewohnten Tempi und anders als gewohnt gesetzten Schwerpunkten erleben.
Schon das einleitende Adagio erscheint hier nicht grüblerisch, das Hauptthema wird in schwelgerischer Form eher flott ausmusiziert. Das vermeidet in der Folge einen schroffen Übergang zum Allegro, dem zweiten Teil des Satzes, in dem das Thema mit bohrender Intensität, geradezu unheilvoll erklingt.
Das Allegretto con grazia des zweiten Satzes wird sehr zart, wie ein unbeschwerter, leichtfüßiger Walzer gespielt und bildet einen perfekten Übergang zwischen den massiven umrahmenden Blöcken.
Der dritte Satz ist von kräftigem Marschrhythmus geprägt, der hier allerdings in sehr frischer, fast kecker Manier erscheint und dadurch keineswegs martialisch wirkt.
Das Adagio des Finalsatzes wird sehr langsam in großem Bogen entwickelt und ausmusiziert, im abschließenden Andante setzt Petrenko mehrere Generalpausen, welche die depressive und düstere Stimmung dieser Passagen noch verstärken, das Werk klingt in einem zarten Pianissimo aus.
Orchester und Dirigent erschaffen diese bemerkenswerte Interpretation auf einem so hohen Level von intellektueller und musikantischer Qualität, die für die gemeinsame Zukunft wahrhaftig Großes erwarten lässt.
BPHR 190261