Puccinis „Trittico“ an der Bismarckstraße wird zum Triumph der Knallchargen

Puccinis „Trittico“ an der Bismarckstraße wird zum Triumph der Knallchargen

Das Tryptichon von drei Operneinaktern, die Giacomo Puccini 1918 für die New Yorker Met schrieb, wurde auf unseren Bühnen nie so recht heimisch. Es mag daran liegen, dass die Stoffe der drei Stücke so unterschiedlich sind, dass daraus an einem Abend nicht so recht etwas Ganzes werden will. An der Deutschen Oper versuchte sich zuletzt Katharina Wagner 2006 daran und erbrachte erstmals den Beweis, dass sie Regie nicht führen kann.

Erneut hat man nun eine Frau mit der Neuinszenierung betraut, das Resultat war ein Abend, den man ganz schnell wieder aus seinem Gedächtnis streichen möchte. Pinar Karabulut ist an dem Haus keine Unbekannte, sie hat bereits eine Produktion für die Spielstätte Parkdeck betreut.

Für die optischen Zumutungen der Bühnenbilder zeichnet Michela Flück verantwortlich, die Kostüme, die auch aus einem Altkleider-Container stammen könnten, sind aber Kreationen von Teresa Vergho. Was die drei Damen geritten hat, alle drei Stücke so konsequent in den Sand zu setzen, muss man fragen dürfen. Talentfreiheit drängt sich da als Hauptindiz auf.

„Il Tabarro“, das einleitende Eifersuchtsdrama, wurde in einem nicht näher definierten Raum angesiedelt, dass das Stück auf einem Lastenkahn auf der Seine spielt, war nicht zu erkennen. Das heimliche Liebespaar benimmt sich so auffällig, dass seine Entdeckung die logische Folge ist. Der Giorgetta lieh Carmen Giannattasio ihren inzwischen zur Schärfe neigenden Sopran, ihren Ehemann Michele gab Misha Kiria eher unauffällig brummig. Sensationell fiel der kurze Auftritt von Jonathan Tetelman als Luigi aus. Er verlieh dem unglücklichen Liebhaber eine glühende Intensität und einen Tenor-Strahl, der eigentlich schon den vorgegebenen Rahmen sprengte. Diese Stimme ist kein Versprechen mehr, sie ist viel mehr beglückende Gegenwart und lässt bereits an die großen Verdi-Partien denken. Erwähnenswert noch die Frugola von Annika Schlicht, die ihrer kleinen Rolle durchaus Profil geben konnte. Da die Regie sich auf von-links-nach-rechts-gehen und umgekehrt beschränkte, war der Spielraum für die Sänger eher gering.

Jonathan Tetelman © Eike Walkenhorst

Den absoluten Tiefpunkt erlebte der Abend mit der „Suor Angelica“. Dieses hart am religiösen Kitsch vorbei schrammende Drama verortete Karabulut inmitten sich drehender Bühnenelemente, die ebenso rätselhaft wie hässlich waren. Die Nonnen hatte man mit pastellfarbenen, an die Teletubbies erinnernden Kostümen und Hirschgeweihen ähnlichen Kopfbedeckungen verunstaltet, lediglich die bösartige Tante Angelicas durfte in roter Robe (Vorsicht! Teuflisch!) auftreten.

Mané Galoyan © Eike Walkenhorst

Am Ende schreckt die Regisseurin nicht einmal vor dem Einsatz von Menstruationsblut bei der sterbenden Angelica zurück. In der Titelrolle mühte sich Mané Galoyan redlich , der Figur auch stimmliches Profil zu geben, aber ihr eher klein dimensionierter lyrischer Sopran kommt über schöne Piani nicht hinaus. Violeta Urmana kann in ihrer dritten Karriere immer noch eindrucksvolle dunkle Töne produzieren, Annika Schlicht als Suora Zelatrice stach abermals positiv aus dem Ensemble heraus.

Bis dahin schien das Publikum eher reserviert zu bleiben, zu auffällig waren die Defizite der Regie und der Optik. Dass die Stimmung schließlich im „Gianni Schicchi“ komplett ins Positive kippte, ist für mich ein kleines Rätsel. Offenbar war das Premierenpublikum fest entschlossen, sich gut zu unterhalten, und dafür bot ihm Pinar Karabulut Gelegenheit, allerdings auf einem Niveau, das man eher in Kyritz an der Knatter verorten würde, wenn es dort ein Opernhaus gäbe.

Schlicht, Bachtadze, Ulrich, Manganello © Eike Walkenhorst

Die im Original durchaus feinsinnige Komödie um den schlitzohrigen Schicchi, der eine ganze Sippe gieriger Erbschleicher austrickst, inszeniert die Regisseurin, erneut in schlecht konstruiertem Bühnenbild, als einen derben Schenkelklopfer nach dem anderen. Während es Misha Kuria gelingt, einen dominanten, stimmgewaltigen Titelhelden auf die Bretter zu stellen, bleibt Mané Galoyan als Lauretta erneut blass, das bekannteste Stück des Trittico „O mio babbino caro“ verpufft ohne großen Effekt. Auch Laurettas Liebhaber Rinuccio in Gestalt von Andrei Danilov kann sich nicht deutlich profilieren. Wieder war es Annika Schlicht die als raffgierige Zita das stärkste Profil einbrachte.

Dem Ensemble der Verwandten ließ Pinar Karabulut schließlich dem Affen so viel Zucker geben, dass die Szene in billigsten, teilweise auch sehr geschmacklosen Klamauk abrutschte. Den Sängern machte das sichtbar Spaß, dass das Publikum aber johlend und vor Vergnügen wiehernd reagierte, befremdete dann doch etwas, hatte das Gebotene doch bestenfalls die Qualität einer Stehgreif-Bühne.

Einer der wenigen Pluspunkte der Aufführung ging an den für den erkrankten Donald Runnicles eingesprungenen Dirigenten John Fiore, dem es gelang, der drögen Optik so etwas wie Italianità aus dem Graben beizumengen.

Dass der Schlussjubel des Publikums geradezu orgiastische Ausmaße annahm, stimmt bedenklich. Vielleicht ist es ja ein Fehler, auf hohem Niveau zu inszenieren, wenn das Publikum lieber aus der Mottenkiste, unterste Schublade bedient werden will?

Giacomo Puccini
Il Trittico

IL TABARRO – SUOR ANGELICA – GIANNI SCHICCHI:
Ein Operntriptychon von Giacomo Puccini

Regie: Pinar Karabulut, Bühne: Michela Flück, Kostüme: Teresa Vergho

John Fiore  Dirigent

Deutsche Oper Berlin, Premiere am 30. September 2023

zuerst erschienen bei http://ww.klassik-begeistert.de

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