Verdis „Aida“ Unter den Linden: Die Musik siegt über eine indiskutable Inszenierung

Verdis „Aida“ Unter den Linden: Die Musik siegt über eine indiskutable Inszenierung

Traditionell findet am Einheits-Feiertag die erste Premiere der neuen Saison Unter den Linden statt. Diesmal fiel die Wahl auf Verdis Aida, die seit längerer Zeit auf dem Spielplan des Hauses fehlte. Nach der Premiere sehnt man sich aber wieder nach der Produktion aus den 1990er Jahren, so ärgerlich fiel die aktuelle Neuinszenierung aus.

Der spanische Regisseur Calixto Bieito machte in den Nullerjahren Furore mit zum Teil extremen Ansätzen, die für reichlich Diskussion sorgten. Bereits vor einigen Jahren sank aber sein Stern, seine Inszenierungen erschöpften sich in Leerlauf und wenig ansprechender Optik. Was die Intendanz der Staatsoper dazu bewogen hat, Bieito ausgerechnet in seinem Niedergang zuerst für den Lohengrin, nun für Aida zu engagieren, wird wohl ein Geheimnis bleiben.

Den Versuch zu unternehmen, die unsinnigen Ideen des Regisseurs hier aufzuzählen, kann man sich getrost sparen, es handelt sich lediglich um ein paar sattsam bekannte Bausteine aktueller Inszenierungspraxis. Ein Klischee jagt förmlich das nächste. Es dürfen weder Koffer tragende Migranten, Clowns mit roten Nasen, mit Gewehren bewaffnete Choristen fehlen, den Solisten werden auch die unsinnigsten Aktionen nicht erspart.

Dass den Sängern unter diesen Umständen gute bis sehr gute Gesangsleistungen gelangen, beweist, wie abgehärtet sie inzwischen gegen die Zumutungen der Regisseure sind. Gleich zu Beginn hat Yusif Eyvazov als Radames seine große Arie. Anfangs scheint er noch gegen eine leichte Indisposition zu kämpfen, die Stimme klingt dunkler und etwas rauchiger als sonst, aber er singt sich schnell frei, und überrascht mit einem ungewöhnlichen Schluss der Arie: den oft im Falsett gesungenen Spitzenton singt er voll und lange aus, wiederholt dann aber die letzte Phrase ohne Spitzenton.

Marina Rebeka (Aida), Gabriele Viviani (Amonasro), Komparserie (c) Herwig Prammer

Marina Rebeka debütiert als Aida und hat für diese Rolle genau den richtigen, zwischen Lyrik und Dramatik mühelos wechselnden Sopran, schon in der ersten Arie gelingen ihr ausgesprochen schöne Phrasierungen, in der Nil-Arie läuft sie dann zu ganz großer Form auf, und krönt sie mit einem strahlenden Piano-C.

René Pape als Oberpriester Ramphis verleiht dieser Figur mit seinem kernigen Bass die nötige Autorität, der König von Grigory Shkarupa wird vom Regisseur leider besonders schlecht behandelt, was seine Leistung beeinträchtigt. Amonasro, Aidas Vater singt Gabriele Viviani stimmgewaltig und rollendeckend. Bleibt die Amneris der Elina Garanča. Nicht wenige Opernliebhaber werden nicht müde, von ihr zu schwärmen, aber ich persönlich sehe dies doch ein wenig anders. Sicher stehen ihr satte, schöne Mezzotöne zur Verfügung, auch ihre Höhe ist für diese Stimmlage gut entwickelt. Dazwischen fehlt aber leider eine gesunde Mittellage, wodurch ihr Gesang leicht unausgeglichen wirkt. Ihr größtes Manko ist aber ein weitgehend fehlendes dramatisches Talent. In der Gerichtsszene, einer der effektvollsten Opernszenen, die es für einen Mezzosopran gibt, erschöpfen sich ihre Ausbrüche in Händeringen an der Rampe.

René Pape (Ramphis), Yusif Eyvazov (Ramadés), Herren des Staatsopernchores (c) Herwig Prammer

Ein großartig gesungenes Schlussduett von Rebeka und Eyvazov nimmt man dankbar mit auf den Heimweg. Neben den sängerischen Leistungen, die auf der Habenseite standen, war die Koordination zwischen Bühne und Graben nicht immer optimal, Nicola Luisotti leitete den Abend solide, aber nicht außergewöhnlich.

Elīna Garanča (Amneris), Marina Rebeka (Aida), Yusif Eyvazov (Ramadés), Gabriele Viviani (Amonasro), Komparserie (c) Herwig Prammer

Am Ende nicht wenige Buh-Rufe für Eyvazov, die eher unberechtigt waren, viele, und sehr verdiente dagegen für den Regisseur Calixto Bieito. Der Rest der Solisten erhielt verdienten, starken Applaus.

Giuseppe Verdi
Aida

Marina Rebeka  Aida
Yusif Eyvazov  Radames
Elina Garanča  Amneris
René Pape  Ramphis
Grigory Shkarupa  Der König
Gabriele Viviani  Amonasro

Calixto Bieito  Regie
Nicola Luisotti  Dirigent

Staatsoper Unter den Linden, Premiere am 3. Oktober 2023

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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