„Meistersinger“ aus der Deutschen Oper Berlin: Eine Produktion, die man besser schnell vergisst

<strong>„Meistersinger“ aus der Deutschen Oper Berlin: Eine Produktion, die man besser schnell vergisst</strong>

Der Hausherr Donald Runnicles, den man vor Jahren vor allem wegen seiner Wagner-Kompetenz an das Haus in der Bismarckstraße holte , hatte zum wiederholten Male kurzfristig abgesagt, was allmählich den Verdacht einer diplomatischen Krankheit nahelegt. In der Premiere ersetzte ihn Markus Stenz, in den Aufführungen, die für diese Aufzeichnung mitgeschnitten wurden, stand John Fiore am Pult und sorgte für eine umsichtige und souveräne Interpretation der Partitur.

Mit Hans Sachs, der zentralen Figur des Stückes betraute man Johan Reuter, der am Haus schon in verschiedenen Rollen erfolgreich aufgetreten war. Sein runder, warm timbrierter Bass ist für den Sachs bestens geeignet, nur im letzten Bild geriet er doch deutlich hörbar an die Grenzen seiner stimmlichen Kapazitäten. Das konnte Klaus Florian Vogt nicht passieren, der sich mit seinem sehr gewöhnungsbedürftigen, timbrelosen Stolzing unbekümmert durch die anspruchsvolle Partie kräht.

Vogts große Erfolge sind ein schwer nachvollziehbares Phänomen. Was den Sänger, dessen Stimme so gar nichts von einem Heldentenor besitzt zum Publikumsliebling gemacht hat, bleibt rätselhaft. Als Evangelisten in den Bach-Passionen, oder in Charakterrollen wie dem Herodes könnte man ihn sich noch vorstellen.

Ihm zur Seite die Eva Heidi Stobers, der es trotz ansprechenden Timbres nicht gelingt, ihrer Figur Profil zu geben, sie bleibt zu blass und unauffällig. Auch die bewährte Annika Schlicht kann als Magdalene nicht das von ihr gewohnte Niveau halten. Weitgehend unpersönlich und flach gerät ihre Interpretation. Lichtblicke in der Rollengestaltung sind der David des chinesischen Tenors Ya-Chung Huang, der bereits als Mime im Siegfried eine gute Figur gemacht hatte, und der Beckmesser von Philipp Jekal, der den negativen Charakter dieser Figur höchst glaubwürdig verkörpert. Laut Programm sang Günther Groissböck die Stimme des Nachtwächters, so hallig und künstlich wie das klang, dürfte es sich wohl um eine Bandaufnahme gehandelt haben, was doch etwas befremdet. Die Schar der Meister war bewährten Kräften des Hauses anvertraut.

Trotz redlichem Bemühen des Ensembles und des glänzend disponierten Chores, des sehr differenziert aufspielenden Orchesters, will sich das Wagner-Glück an diesem Abend nicht einstellen. Das geht eindeutig zu Lasten der Regie, die dem Stück restlos allen Humor, alle Dichte und Atmosphäre nimmt. Sicher war die Intention, das Deutsch-tümelnde und Reaktionäre des Stoffes zu eleminieren, dabei schüttete man aber das Kind mit dem Bade aus und reduzierte Handlung und Ambiente auf ein Mindestmaß, das szenische Öde und Langeweile verbreitete.

Niemand hatte ernsthaft erwartet, vom Regieteam Jossi Wieler/Anna Viebrock/Sergio Morabito ein mittelalterliches Nürnberg mit Butzenscheiben-Optik serviert zu bekommen. Was aber  in dieser knapp fünf Stunden dauernden Aufführung zu sehen ist, kann man nur als Bankrott-Erklärung dieses Teams bezeichnen. Zu sehen ist nämlich schlicht Nichts, die unstrukturierte Handlung spielt sich vor einem hässlichen Einheitsbühnenbild ab, das mal Singschule, mal Nürnberger Gasse, mal Festwiese sein sollte. Für keines dieser Szenarien ist es geeignet und trägt zu der bleiernen Langeweile bei, die sich über die nicht enden wollenden Stunden dieser Aufführung legt.

Es würde Seiten füllen, alle abstrusen Ideen zu beschreiben, die erfolgreich dazu beitragen, Wagners Oper zu diskreditieren. Ein Schuster, der den ganzen Abend barfuß herumläuft und Bier aus der Flasche trinkt, eine penetrant leuchtende Digitaluhr, Kostüme, die an einfallsloser Tristesse kaum zu übertreffen waren. Dazu kopulierende Paare in Nürnbergs Gassen und eine fast schon pornographische Szene zwischen Sachs und Eva, von dem kindisch notgeilen Verhalten Evas und Stolzings ganz zu schweigen.

Mit dieser, vor allem sterbenslangweiligen Produktion, hat sich die Deutsche Oper Berlin nach ihrem desaströsen Ring einen weiteren Klotz ans Repertoire-Bein gebunden. Diese Meistersinger möchte man ganz bestimmt kein zweites Mal sehen. Konserviert auf Bildträgern bildet sie eine eher abschreckendes Beispiel für die aktuelle Wagner-Rezeption.

Richard Wagner
Die Meistersinger von Nürnberg

Jossi Wieler/ Sergio Morabito/Anna Viebrock  Regie
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin

John Fiore  Dirigent

Naxos NBDO 178-79 V

Menü schließen