Der einsame Wanderer der „Winterreise“ bekommt Gesellschaft

Der einsame Wanderer der „Winterreise“ bekommt Gesellschaft

Franz Schuberts düsterer Liederzyklus „Winterreise“ gilt allgemein als Gipfelpunkt des deutschen Liedgutes, seit seiner Entstehung ist er bei Interpreten wie Publikum gefragt und häufig aufgeführt.

Gerade diese Popularität des Werkes hat in den nahezu zweihundert Jahren seiner Rezeptionsgeschichte immer wieder die Begehrlichkeit von Bearbeitern geweckt, die Lieder mit veränderter Begleitung oder Form aufzuführen. Noch gut in Erinnerung ist Hans Zenders Bearbeitung von 1993, die der Komponist selbst eine komponierte Interpretation nannte. Zenders Eingriffe waren massiv, verletzten aber letzten Endes nicht den Geist und die Wirkung von Schuberts Musik.

Auf dieser nun vorgelegten Einspielung ist der Zyklus mit zwei Akkordeons und einem gemischten Chor zu hören. Die anfängliche Skepsis weicht schnell einer Freude über die erstaunlichen Effekte, die diese ungewöhnliche Besetzung hervorbringt. In den Notentext eingegriffen wird an keiner Stelle, der dezent agierende Chor hat häufig nur eine ähnlich kommentierende Funktion wie Background-Sänger in der Pop-Musik. In einzelnen Liedern übernimmt er aber die Gesangslinie vom Solisten, der in einen Dialog mit den Chorstimmen eintritt. Das Akkordeon verfügt als Instrument über eine Vielzahl von Klangfarben, in dieser Version mit zwei Akkordeons vergrößert sich das Spektrum der Ausdrucksmöglichkeiten noch erheblich. Schnell hört man sich auf diese ungewohnte Interpretation ein, und nimmt immer wieder neue Facetten wahr.

Im Fall dieser neuen CD ist das Hörvergnügen nicht zuletzt durch die hervorragenden Interpreten gegeben. Der renommierte Bariton Tobias Berndt bringt für Schuberts einsamen Wanderer das große Spektrum seiner Ausdrucksmöglichkeiten mit. Heidi und Uwe Steger am Akkordeon entlocken ihren Instrumenten wahre Zaubertöne, und der vorzügliche Gewandhauschor ist unter der Leitung von Gregor Meyer ein kongenialer Partner für Tobias Berndt. Gregor Meyer ist auch der Schöpfer dieser ungewöhnlichen Besetzung für die Winterreise, seine sensible Vorgehensweise ermöglicht tatsächlich einen modifizierten Zugang zu dem Werk, ohne es im Geringsten anzutasten.

Eine hörens-und empfehlenswerte Produktion, und eine interessante Erweiterung der Winterreisen-Diskographie allemal!

Franz Schubert
Winterreise

Tobias Berndt  Bariton
Heidi und Uwe Steger  Akkordeon

Gewandhauschor
Gregor Meyer  Leitung

Gen 23847

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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