Le Nozze di Figaro aus Wien: Ein Schritt zurück – in die Zukunft

Le Nozze di Figaro aus Wien: Ein Schritt zurück – in die Zukunft

Der neue Direktor der Wiener Staatsoper, Bogdan Roščić, hatte die Idee, zum Teil schon sehr alte, aber erfolgreiche Inszenierungen wieder zurück ins Repertoire zu holen, und dafür misslungene Inszenierungen des gleichen Werkes zu entsorgen.

Ein besonderer Glücksfall ist die Wiederbelebung der Jean-Pierre-Ponnelle- Inszenierung des Figaro. Sie stammt bereits aus den 1970er-Jahren, hat aber nichts von ihrer Frische und Stimmigkeit verloren. So will man Oper sehen,  vom Regisseur geformte Figuren, stimmiges Ambiente, mit der Musik und nicht gegen sie inszeniert. Da sehen auf einmal im Vergleich aktuelle Regisseure peinlich alt aus und entlarven sich teilweise als Dilettanten. Moderne zeitgemäße Ansätze mögen für manche Stücke passend sein, bei dieser zeitlosen Komödie möchte man die Kirche aber doch gerne im Dorf belassen sehen.

Die vor leerem Haus gestreamte Aufführung unter der Leitung des neuen Chefdirigenten Philippe Jordan wartete mit einer Reihe von jungen, unverbrauchten Stimmen auf. Viel ist dieser Tage die Rede von der Schaffung eines neuen Wiener Mozartensembles. Ein solches hatte sich nach dem Krieg, zum Teil noch in den Ausweich-Spielstätten der zerstörten Staatsoper gebildet. Der Dirigent Josef Krips und Sänger wie Elisabeth Schwarzkopf, Irmgard Seefried, Sena Jurinac und Erich Kunz, um nur einige zu nennen, hatten einen sehr hohen Standard speziell für die Werke Mozarts gesetzt. Ob sich so etwas wiederholen lässt, ist in Zeiten des vokalen Niederganges zu bezweifeln, da es ja auch praktisch keine Ensembles mehr gibt.

Die aktuelle Figaro-Aufführung bietet aber insgesamt ausgewogene Leistungen, allerdings mit Luft nach oben. Typ- und stimmtechnisch gut gewählt sind die Susanna und der Figaro. Louise Alder verfügt über den leichten, lyrischen Ton, den man sich für eine Susanna wünscht, außerdem spielt sie ausgezeichnet. Der Figaro von Philippe Sly, stimmlich und figürlich schlank und beweglich, ist ein eher eleganter als derber Lakai. Über die Eleganz verfügt durchaus auch der Almaviva Andrè Schuens, der adelige Macho wird von ihm auch stimmlich markant verkörpert. Seine Contessa in Gestalt von Federica Lombardi phrasiert ausgesprochen schön und sauber, bleibt insgesamt aber ein wenig eindimensional und hinter ihrer Zofe zurück. Das gilt auch für den Cherubino von Virginie Verrez. Schön und sauber gesungen, aber kein markantes Timbre.

Die Nebenrollen sind teilweise exzellent besetzt, so die Marcellina von Stephanie Houtzeel und der Don Basilio von Josh Lovell, der ein komödiantisches Feuerwerk entfacht.

Philippe Jordan kennt seinen Mozart gut und ist ein sehr sängerfreundlicher, sensibler Begleiter. Einen eigenen, markanten Mozartstil kann man  aber noch nicht erkennen. Das Versprechen eines neuen Wiener Mozartensembles muss erst noch eingelöst werden.

Wiener Staatsoper,  Live-Stream vom 7. Februar 2021
Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro
Inszenierung: Jean Pierre Ponelle

Marcellina – Stephanie Houtzeel
Don Basilio – Josh Lovell
Don Curzio – Andrea Giovannini
Don Bartolo – Evgeny Solodovnikov
Antonio – Marcus Pelz
Barbarina – Johanna Wallroth
Count Almaviva – Andrè Schuen
Countess Almaviva – Federica Lombardi
Susanna, the countess’s maid – Louise Alder
Figaro, personal valet to the count – Philippe Sly
Cherubino, the Count’s page – Virginie Verrez

Dirigent, Philippe Jordan

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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