Wie im letzten Jahr nutzte die temporär aus dem Stammhaus vertriebene Komische Oper Berlin für den Saisonauftakt den Hangar 4 des stillgelegten Flughafens Tempelhof. Für die lang gestreckte Halle ist Händels Oratorium eine gute Wahl, ein weniger groß konzipiertes Werk würde sich darin leicht verlieren.
Es ist Mode geworden, Oratorien und Passionen szenisch aufzuführen. In den meisten Fällen scheitern aber die Regisseure daran, eine adäquate Rahmenhandlung zu erfinden. Auch der Regisseur Damiano Michieletto greift mit der Geschichte einer jungen Frau, die eine Krebsdiagnose erhält und mit ihrem Schicksal hadert, eindeutig zu kurz. Besonders banal die eingefügten, der Frau zugeordneten Texte. Gegen Bibelzitate haben sie keine Chance und werden als Fremdkörper wahrgenommen.
Geglückt ist dagegen die Choreographie von Thomas Wilhelm, die den geschätzt dreihundert Mann und Frau starken Chor klug über die gigantische Spielfläche navigierte. Die Solisten mussten dagegen weite Strecken zurücklegen, nur während längerer Gesangspassagen wurde ihnen größere Bewegung erspart. Die Sopranistin Julia Grüter, die Altistin Rachael Wilson, der Tenor Julien Behr und der Bassist Tijl Faveyts konnten mit ausgezeichneten Leistungen überzeugen.
Händel verlangt den Solostimmen einiges ab, aber das Quartett der Solisten wurde seinen Aufgaben, inklusive guter Textverständlichkeit des englischen Originals, hervorragend gerecht.
Das wirkliche Ereignis aber war der schon von der Dimension her überwältigende Chor, dem ja nun die eigentliche Hauptrolle in dem Oratorium zufällt. Die Chorsolisten der Komischen Oper genießen zurecht einen ausgezeichneten Ruf, für diese Aufführung wurden sie durch eine ganze Reihe von Berliner Chorensembles professioneller Art, aber auch Mitgliedern von Laienchören verstärkt.
Das erzeugte einen überwältigenden Effekt, mit solcher Wucht und Klangfülle hat man das Halleluja und die abschließende Amen-Fuge noch nie gehört, aber der spirituellen Dichte dieser Musik bekommt das große Format sehr gut.
Das hoch konzentrierte Publikum nimmt die Aufführung auch mit erfreulicher Disziplin und Konzentration an. Erfreulich gut funktioniert der Abend auch akustisch. Erstaunlich, wie der ehemalige Flugzeughangar für ein musikalisches Spektakel dieser Größenordnung geeignet ist.
George Petrou führt das Orchester der Komischen Oper souverän durch den Abend, auf Monitoren kann auch der von David Cavelius einstudierte Mammut-Chor die Einsätze mühelos verfolgen. Trotzdem ist das Gelingen der Aufführung eine respektable Leistung aller Beteiligter, die am Ende ein frenetisch jubelndes Publikum zurücklässt.
Das schwächste Glied in der Kette ist die banale Rahmenhandlung, die an der schieren Größe des Händel’schen Werkes nur scheitern kann. Mit diesem Komponisten und der Bibel sollte man sich nicht anlegen…
G.F. Händel, Messiah
Inszenierung Damiano Michieletto
Choreographie Thomas Wilhelm
Chöre David Cavelius
George Petrou Dirigent
Komische Oper Berlin im Flughafen Tempelhof, 21. September 2024
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de