Nuancenreicher und subtiler kann man die „Tosca“ nicht dirigieren und singen

Nuancenreicher und subtiler kann man die „Tosca“ nicht dirigieren und singen

Für die Wiederaufnahme der Tosca-Inszenierung zu Beginn der Spielzeit hat die Staatsoper eine premierenwürdige Besetzung verpflichtet. Die Operndirigate von Altmeister Zubin Mehta sind selten geworden, aber er bewies, dass er auch noch mit 88 Jahren eine Aufführung prägen kann.

Seine Lesart dieser viel gespielten Oper ist eine eher lyrische, was dem Drama um die Sängerin Tosca, den Maler Cavaradossi und Roms Polizeichef Scarpia wesentlich mehr Nuancen verleiht, als üblich. In der gut geprobten Aufführung konnte man erleben, wie gut das dem veristischen Drama bekommt. Freddie De Tomasso, der im Augenblick die Karriereleiter in rasantem Tempo erklimmt, wiederstand erfolgreich der Versuchung, seine Arien mit Schluchzern anzureichern, oder dem Affen allzuviel Zucker zu geben. Das war kultivierter, stilsicherer Gesang pur.

Gerald Finley gab seinem Scarpia ebenfalls zurückhaltenderes Format, seine Gefährlichkeit blitzte in seiner Gesangslinie aber immer wieder deutlich auf.

Überwältigend schließlich das Rollenporträt Lise Davidsens, die offenbar über unerschöpfliche Stimmreserven verfügt. Ihr gelingt das Porträt einer zu tief verletzten Frau, die schließlich ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt. Davidsen weiß mit ihren stimmlichen Mitteln gut umzugehen, deren elementare Kraft wo nötig zu drosseln. Es gelingen ihr Spitzentöne von berückender Schönheit. Zum Problem wird für die Sängerin immer wieder ihre respektable Körpergröße von 188 cm werden, den Großteil ihrer Partner wird sie, wie in diesem Fall, um Haupteslänge überragen.

„Tosca“ läuft immer Gefahr, ins leicht Vulgäre abzugleiten, was in diesem Fall schon vom Pult aus verhindert wurde, auch die Sänger vermieden erfolgreich jegliches overacting. Ich kann mich an keine ähnlich aus einem Guss bestehende Aufführung des Werkes erinnern. Ein Ärgernis war und bleibt die Inszenierung von Alvis Hermanis, der speziell den zweiten Akt konsequent gegen das Libretto inszenierte. Hermanis war für eine Weile geradezu der shooting Star der Regieszene, ehe er genauso schnell wieder verschwand. Aber wer will nach so einem Abend noch von der Regie sprechen?

Man geht wegen der Musik in die Oper, das sollten endlich auch jene Regisseure begreifen, die uns mit ihren abstrusen Ideen quälen.

Der Applaus erreichte bereits nach einzelnen Arien Rekordlautstärke, am Ende nahmen die Ovationen kein Ende, vor allem Davidsen und Zubin Mehta wurden begeistert gefeiert. Die Oper lebt!

Giacomo Puccini, Tosca

Foto: Lise Davidsen (c) Staatsoper Berlin

Lise Davidsen  Tosca
Freddie De Tommaso  Cavaradossi
Gerald Finley  Scarpia
Zubin Mehta  Dirigent

Staatsoper Unter den Linden Berlin, 6. September 2024

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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