Die Pariser Oper war das tonangebende Opernhaus im angehenden 19. Jahrhundert, auch die erfolgreichen italienischen Komponisten versuchten, Aufträge aus Paris zu ergattern. Gaetano Donizetti gelang dies mit seiner „La Favorite“, die wenig später aber auch mit italienischem Libretto erfolgreich war.
Das Drama um die Favoritin des spanischen Königs, die sich in einen einfachen Soldaten verliebt, der seinerseits nichts von diesem Verhältnis weiß, ist sehr stark von den Moralvorstellungen jener Zeit geprägt. Dieser Fernand sieht sich vom König, der ihm überraschend die Hand seiner Geliebten Leonor überlässt betrogen, als er erkennt, vom Monarchen nur benutzt zu werden. Er zieht sich erneut in ein Kloster zurück, dort findet ihn schließlich die sterbende Geliebte, die er anfangs abweist, seine Meinung etwas unmotiviert ändert, aber nur noch Leonors Tod beklagen kann. Diese Verwicklungen nachzuvollziehen, ist nicht ganz einfach, die vier Akte der Oper, speziell der letzte, haben erhebliche Längen.
Die französisch gesungene Produktion des Teatro Donizetti in Bergamo wurde exakt vor einem Jahr, im November 2022 aufgezeichnet. Die optische Präsentation fiel eher enttäuschend aus, Bühnenbildern und Kostümen meint man anzumerken, dass nur ein begrenztes Budget dafür zur Verfügung stand. Für die Grand Opera im Pariser Stil war ein großes Ballett obligatorisch, darauf verzichtete man hier und ersetzte es durch eine seltsame Pantomime, in der ältere Frauen Toilette machen, und anschließend den König bedrängen und abküssen. Das spielt mit einer ziemlich ungewöhnlichen Ästhetik, die mehr befremdend als unterhaltend wirkt. Auch das karge Bühnenbild besteht fast nur aus Betten, bzw. Stockbetten, die völlig deplatziert wirken. Die Personenführung erschöpft sich in Rampentheater und Händeringen, wie diese Inszenierung einen Preis für die beste Produktion Italiens im Jahr 2022 gewinnen konnte, muss man fragen dürfen.
Gesungen wird dagegen auf erfreulich hohem Niveau. Der Tenor Javier Camarena als Fernand gibt seiner schwärmerischen Figur tenoralen Glanz mit sicherer Höhe und einem ansprechenden Timbre. Der König Alphonse der XI. ist dank Florian Sempeys geschmeidigem Bariton ein kongenialer Gegenspieler. Den Priester Balthasar adelt Evgeny Stravinsky mit profundem Bass. Caterina Di Tonno als Ines sorgt für die erfrischenden Soprantöne.
Bleibt die Titelfigur Leonor. Annalisa Stroppa wird der Rolle durchaus gerecht, spielt und singt mit großem Engagement. Ihrem groß dimensionierten Mezzosopran fehlt es aber leider an einem ansprechenden Timbre. Die anspruchsvolle Partie bewältigt sie technisch durchaus, sie klingt aber durchgängig mehr robust als schön.
Riccardo Frizza leitet das vorzüglich disponierte Orchester und den Chor des Teatro Donizetti. Er lässt es an gut gesetzten Akzenten nicht fehlen, aber die deutlichen Längen dieser vieraktigen Grand Opera kann auch er nicht vergessen machen.
Gaetano Donizetti
La Favorite
Valentina Carrasco Regie
Riccardo Frizza Dirigent
Orchestra Donizetti Opera Bergamo
Dynamic 57992
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de