„Die Walküre” aus München: Samtpfoten statt Pranke

Für das erste Konzert während der Pandemie vor reduziertem Publikum wählte die Bayerische Staatsoper den ersten Akt der „Walküre“ von Richard Wagner, der nicht selten in dieser Form separat aufgeführt wird. Es ist wohl der genialste Opernakt der gesamten Tetralogie. Das Zusammenspiel der drei Protagonisten kann – wie an diesem Abend – ein ungeheures Spannungsfeld erzeugen. Das Haus hatte dafür eine Traumbesetzung aufgeboten, die auch hielt, was die Papierform versprach. Schon der Auftrittsapplaus für Orchester und Solisten ließ erahnen, wie sehr das Publikum ausgehungert nach Live-Musik war.

Alle drei Sänger verfügen über reiche stimmliche Mittel, der Abend hätte also durchaus zu einer sehr lauten Veranstaltung werden können. Der Dirigent Asher Fisch und die Sänger wählten aber einen ganz anderen Weg: Man ließ die Spannung sich langsam entwickeln, das Zwiegespräch des Zwillingspaares war anfangs noch von Scheu und Zurückhaltung geprägt, was große Steigerungsmomente ermöglichte. Offenbar hatte man sich zu einer sehr lyrischen Version verabredet, was dem Stück die oft vermisste Intimität bewahrte.

Speziell Jonas Kaufmann als Siegmund nahm sich anfangs sehr zurück, stellenweise verfiel er beinahe in Sprechgesang, artikulierte aber sehr textverständlich und kostete die Nuancen seiner Rolle aus. Passend zur Zuspitzung der Handlung schaltete er aber in den heldentenoralen Modus um. Dass ihm für den Schwertmonolog und die gefürchteten Wälse-Rufe nicht mehr ganz der frische Strahl seiner früheren Aufnahmen zur Verfügung steht, tritt hinter seiner sehr ausgewogenen reifen Leistung zurück.

Georg Zeppenfeld als Hunding holt aus der negativen Figur alles nur Mögliche an  Bedrohlichkeit und Kälte heraus. Obwohl kein wirklich „schwarzer“ Bass flößt er Furcht und Unbehagen ein.

Der Shooting-Star der letzten Jahre, die Norwegerin Lise Davidsen, wurde als Sieglinde erneut allen hohen Erwartungen mehr als gerecht. Ihr runder, dunkel timbrierter Sopran strahlt in allen Lagen souverän und verfügt im Timbre über eine Fülle individueller Farben. Da glüht etwas in dieser Stimme, das an ihre Landfrau Kirsten Flagstad erinnert, und mit Spannung erwartet man die weitere Entwicklung dieser Ausnahmekünstlerin.

Asher Fisch setzte mit seiner lyrischen Interpretation einen deutlichen Akzent, entwickelte dann aber die Steigerung zum Ende hin zielstrebig.

Ein hingerissenes Publikum war erst durch je eine Zugabe der drei Sänger zu befriedigen, die Asher Fisch am Flügel begleitete.

Es war ein Abend der Sonderklasse, nicht nur wegen der Hoffnung, zur Normalität zurückzufinden. Oper auf diesem Niveau kann man leider nicht alle Tage haben.

Livestream aus dem Nationaltheater, 13. Mai 2021
Richard Wagner, Die Walküre
Konzertanter 1. Aufzug mit Jonas Kaufmann, Lise Davidsen und Georg Zeppenfeld in der Bayerischen Staatsoper, München

Jonas Kaufmann      Siegmund
Lise Davidsen           Sieglinde (Foto ©)
Georg Zeppenfeld   Hunding
Asher Fisch               Dirigent

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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Frank Castorfs „Faust“ in Wien: Second hand trash

Man fühlt sich versetzt in das frisch wiedervereinigte Berlin der frühen Neunzigerjahre, Volksbühne am Rosa- Luxemburg-Platz. Frank Castorf als Guru der neuen Theaterästhetik verblüffte und polarisierte sein Publikum mit immer neuen, zum Teil sehr schrägen Einfällen. Das hatte was Erfrischendes, man hatte das Gefühl, Theatergeschichte zu erleben. Dreißig Jahre später erlebt man aber ein permanentes Déjàvu und fragt sich, warum der ergraute Regisseur sich jeder Weiterentwicklung störrisch widersetzt.

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Parsifal aus Wien: Hässliche Bilder, herausragende Stimmen

Nur vier Jahre nach der letzten Neuinszenierung leistet sich die Wiener Staatsoper einen neuen „Parsifal“. Mit Kirill Serebrennikow wählte man einen Regisseur, der aus politischen Gründen in Russland festgehalten wird und die Regiearbeit daher nur virtuell, via Skype und Smartphone leisten konnte. Über Sinn und Unsinn solcher Konstellationen lässt sich trefflich streiten, das Resultat jedenfalls ist nicht nur optisch suboptimal, um es freundlich auszudrücken.

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„Le Nozze di Figaro“ Unter den Linden: Erschlagen von der Disco-Kugel

Eine Begleiterscheinung der aktuellen Theaterästhetik ist es, dass das Verfalldatum von Inszenierungen immer kürzer wird. Die häufig doch sehr speziellen Interpretationen von Repertoirestücken sind authentisch eigentlich nur von der Premierenbesetzung umzusetzen, die steht in einem Opernbetrieb aber nicht dauerhaft zur Verfügung.

Mit Mozart-Inszenierungen, speziell mit solchen der drei Da Ponte-Opern, hat man Unter den Linden kein Glück. Thomas Langhoff war 1999/2000 mit der Regie aller drei Werke betraut worden, nach einem völlig missglückten Don Giovanni löste man seinen Vertrag für Cosi fan tutte. Nun wurde erneut ein Regisseur für alle drei Opern verpflichtet, nach diesem neuen Figaro hält sich die Vorfreude auf die nächsten Inszenierungen aber in Grenzen.

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Gounods „Faust“ in Paris: Bruchlandung in der Tristesse der Pariser Banlieue

Innerhalb weniger Wochen findet nun die bereits zweite Premiere der Pariser Oper ohne Publikum nur im Livestream statt. Bei Gounods „Faust“ handelt es sich beinahe um so etwas wie die französische Nationaloper, in Deutschland dem „Freischütz“ vergleichbar. Ausgerechnet Goethe war der Schöpfer des Stoffes, und bei dieser Neuproduktion liegt die Regie ebenfalls in deutschen Händen.

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