Auch im Verriss ikonischer Musikstücke findet sich ein Quäntchen Wahrheit

Auch im Verriss ikonischer Musikstücke findet sich ein Quäntchen Wahrheit

Thomas Leibnitz
Verrisse

Residenz Verlag

Auch Komponisten und ihre Werke, die man heute dem Kanon viel gespielter und anerkannter Werke zuordnen kann, wurden zur Zeit ihrer Entstehung nicht durchgehend freundlich von der Kritik behandelt. Die ursprünglich kontroverse Aufnahme der Opern Richard Wagners ist bekannt, auch Anton Bruckner stieß anfangs mit seinen monumentalen Symphonien auf Ablehnung, sogar Ludwig van Beethoven wurde speziell für seine späten Werke von manchen Zeitgenossen heftigst attackiert.

Wer nun meint, Thomas Leibnitz hätte in seinem Buch nur kuriose Fehlurteile gesammelt, greift viel zu kurz. Der Autor unternimmt den durchaus lohnenden Versuch, die Rezeptionsgeschichte von insgesamt acht Komponisten und ihrer Werke zu analysieren, die heute zu den unumstrittenen und meist gespielten zählen. Die Zeit, und die Zuhörerschaft, auf die sie ursprünglich trafen, war freilich jeweils eine gänzlich andere. Auch versierte Kritiker waren oft genug mit Neuem, Ungewohntem überfordert.

Leibnitz zeigt auch auf, wie sich Form und Inhalt von Musikkritik grundsätzlich verändert hat, man kann sein Buch auch als Kulturgeschichte der Musikkritik lesen, in jedem Fall hat er interessantes, lesenswertes Material zusammengetragen. Die Kritiker, die er zu Wort kommen lässt, sind zum Teil bis heute bekannte Namen, vor allem Eduard Hanslick, der „Kritikerpapst“ des 19. Jahrhunderts wird häufig zitiert, auch Hugo Wolf, selbst lange verkannter Komponist, wird in seiner Eigenschaft als Kritiker eingeführt.

Der Autor wirbt erfolgreich um Verständnis für manches Fehlurteil, bzw. ordnet es in seinen historischen Kontext ein, wodurch es verständlich wird. Heute wagt kaum jemand mehr offen zu sagen, dass Bruckners Symphonien zu lang und zu laut wären, dass manche Akte von Wagner-Opern ermüdend sind und Gustav Mahlers Symphonien mit ihren komplexen Strukturen schwer zugänglich sind. Selbst Arnold Schönbergs provokante atonale Tonsprache trifft heute nicht mehr auf offenen Widerstand.

Man lernt viel aus diesem kompetent recherchierten und flüssig geschriebenen Buch, das durchaus zur Hinterfragung eigener Einschätzungen anregt. Eine anregende Lektüre für versierte Musikliebhaber!

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

Menü schließen