„Voices“ gibt den Künstlern auch jenseits der Bühne eine Stimme

„Voices“ gibt den Künstlern auch jenseits der Bühne eine Stimme

Dieser geradezu verschwenderisch ausgestattete Leinenband lässt in Einzelinterviews eine große Zahl von Sängerinnen und Sängern, aber auch Dirigenten, Regisseure, Intendanten und Pianisten, vereinzelt auch Schauspieler, zu Wort kommen. Das breit angelegte Projekt wurde durch die Corona-Jahre nicht unerheblich behindert, andererseits hat dieser Einschnitt in den Klassikbetrieb bei dem einen oder anderen Künstler auch zu einer verstärkten Rückbesinnung geführt.

Die große Christa Ludwig wurde für das Buch noch zwei Monate vor ihrem Tod interviewt, aber man begegnet auch weiteren Künstlern ihrer Generation, wie Anja Silja und Brigitte Fassbaender. Nicht wenige der Stimmen sind bereits verstummt, der Blick zurück dieser Künstler vermittelt einen ganz eigenen, retrospektiven Ansatz. Über weite Strecken liest sich die Liste der Namen aber wie ein Who’s who der aktuellen Klassikszene. Ob Sänger wie Jonas Kaufmann, Benjamin Bernheim, Lise Davidsen, Dirigenten wie Christian Thielemann, Lorenzo Viotti, Ivor Bolton, alle haben Interessantes zu ihrem Beruf aus ihrer persönlichen Erfahrung beizutragen und zu erzählen.

Intendanten wie Joan Holender und Bogdan Roščič bringen den auf die Leitung eines Hauses fokussierten Blick ein, auch einzelne Instrumentalsolisten wie Rudolf Buchbinder, der Pianist und der Cellist Alban Gerhardt wurden befragt. Mit Johanna Wokalek und Sunnyi Melles kommen auch prominente Schauspieler zu Wort.

Eine schöne Idee war es, auch schon länger verstorbene Berühmtheiten in die Sammlung aufzunehmen, hier wurden ausschließlich Schwarz-Weiß-Fotos verwendet, ergänzt durch substanzielle Zitate des Porträtierten und zeitgenössische Urteile über ihn bzw. sie. Jeder Beitrag ist mit mehreren Abbildungen versehen, und ist so ein lebendiges Porträt des jeweiligen Künstlers.

Naturgemäß ist auch eine nicht geringe Zahl von Künstlern aufgenommen, die im Grunde erst ihren Platz unter den Großen erobern müssen, oder im Begriff sind, ihn zu verlieren. Das beeinträchtigt aber nicht die Qualität dieses Bandes, der gerade durch die Vielfalt der zu Wort Kommenden ein breites Spektrum über die aktuelle Klassikszene bietet. Nachdem hier mehrere Generationen zu Wort kommen, kann man auch die Wandlung des künstlerischen Credos über die Zeit gut verfolgen.

Ein Vorwort Elke Heidenreichs, eine kurze, aber substantielle chronologische Übersicht über die Entwicklung der Oper und ihrer Spielstätten seit dem zweiten Weltkrieg ist ein weiteres nützliches Detail dieser Publikation, auch die Herausgeber Christine Cerletti und Thomas Voigt kommen zu Wort. Einen substantiellen Beitrag leistet auch der Gesangshistoriker Jürgen Kesting, der mit klugen Ausführungen über Gesangsstimmen, vor allem aber über das akustische Erbe auf Tonträgern vertreten ist.

Mein persönlicher Favorit unter den Beiträgen ist Thomas Voigts Artikel „I had a good cry“, der vielleicht , mehr als alle anderen , essentielle Dinge über das Verständnis von Gesang und seiner Faszination für den Zuhörer aussagt.

Mit weit über 400 Abbildungen ist das Buch auch optisch ein Hochgenuss, die ansprechende Typografie erleichtert die Lektüre und trägt zum positiven Gesamteindruck bei. Durch das weite Spektrum der vertretenen Künstler ist der Band gleich für mehrere Generationen von Liebhabern der Oper und des Gesanges interessant. Man kann darin viel Bekanntes, aber auch Neues und Überraschendes finden.

Christine Cerletti & Thomas Voigt
Voices

Verlag für moderne Kunst

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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