Diese Premiere fiel auf den bisher heißesten Tag des Jahres 2022. Dass die gefühlte Temperatur in dem gut klimatisierten Opernhaus ebenfalls Rekordwerte erreichte, lag aber am Dirigenten, dem Altmeister Zubin Mehta. Vom ersten Takt an stellte er seine Kompetenz in Sachen Puccini, und speziell Turandot, unter Beweis und führte Chor, Orchester und Solisten mit sicherer Hand durch diese komplizierte Partitur.
Turandot ist eine ausgesprochene Chor-Oper, was diesem den ganzen Abend abverlangt wird, gelingt dem Staatsopernchor aber souverän und trägt damit wesentlich zum Gelingen dieser Aufführung bei. Auch die Staatskapelle zeigt sich unter Mehta in Bestform. Zeitweise wird es zwar sehr laut, aber das ist in dem Werk so angelegt.
Als Glücksfall erweist sich auch die Sängerbesetzung. Allen voran Elena Pankratova als Turandot, die eine ursprünglich vorgesehene andere Russin ersetzte, aber den Gedanken an „Ersatz“ keine Sekunde aufkommen ließ. Pankratova scheint über unerschöpfliche Kraftreserven zu verfügen, kann ihrem metallischen Sopran aber auch betörend schöne Zwischen- und Pianotöne entlocken. Eine solche Sängerin verdient einen ebenbürtigen Prinzen, den sie in Yusif Eyvazov auch gefunden hat. Der Tenor hat sich in den letzten Jahren ungemein gesteigert, was seine Gesangskultur und Phrasierung betrifft. Die sichere Höhe stand ihm schon seit dem Anfang seiner Karriere zur Verfügung. Pankratova und Eyvazof bilden ein Powerpaar, das um den Kronleuchter fürchten lässt. Inzwischen spielt auch überhaupt keine Rolle mehr, mit wem er verheiratet ist.
Die Liù von Aida Garifullina bildete mit ihrem schönen, vibratoreichen Sopran ein optimales Gegengewicht zur hochdramatischen Turandot. René Pape stattete den Timur mit profunden Basstönen aus – dass seine Rolle blass bleibt, liegt am Libretto, nicht an ihm. Markantes Profil verliehen Gyula Orendt, André Moreno García und David Ostrek den drei Ministern, deren Auftritte sich durch alle drei Akte der Oper ziehen. Das Sängerensemble kannte an diesem Abend keine Schwachstelle.
Den Wermutstropfen steuerte der Regisseur Philipp Stölzl bei, und das reichlich. Sein Bühnenbild dominiert den gesamten Abend eine riesige Puppe, die Turandot darstellen soll. Deren Bewegungen und Aktionen werden von einer ganzen Schar Bühnenarbeiter koordiniert, die damit einen großen Teil der Bühne beanspruchen, was den Protagonisten nur eingeschränktes Spiel nahe der Rampe erlaubt. Über weite Strecken nerven die endlosen, mit der Puppe veranstalteten Aktionen. Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass Stölzls Personenregie eigentlich nur grobe, derbe Aktionen beinhaltet, die noch dazu auch hölzern wirken. Es kann nicht ausbleiben, dass auch das Finale umgedeutet wird, die ihrer Perücke beraubte Turandot stirbt in dem Augenblick, in dem ihr Calaf das Wort „Liebe“ entlockt. Der freudig aufjauchzende Chor straft diesen Regieeinfall Lügen.
Am Ende frenetischer Jubel für das gesamte Ensemble, insbesondere für den erholt wirkenden Zubin Mehta. Auch der Regisseur Stölzl bekommt, was er verdient- nämlich heftige Buh-Rufe.
Turandot Elena Pankratova
Timur René Pape
Liù Aida Garifullina
Calaf Yusif Eyvazov
Ping Gyula Orendt
Pang Andrés Moreno García
Pong Siyabonga Maqungo
Chor und Kinderchor der Staatsoper Berlin
Dirigent Zubin Mehta
Regie und Bühnenbild Philipp Stölzl
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de