Staatskünstler Furtwängler und Häftling Lasker

Staatskünstler Furtwängler und Häftling Lasker

Der Dirigent Wilhelm Furtwängler und die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch sind einander nie begegnet. Ihre persönlichen und künstlerischen Biographien parallel zu erzählen, ist trotzdem ein sinniges Projekt. Furtwängler, der wenn auch zeitweise widerwillig dem NS-Regime als musikalisches Aushängeschild diente war sozusagen Staatskünstler, sein Ruhm steigerte sich bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten ins schier Unermessliche.

Ein größerer Kontrast als der Lebensweg Anita Lasker-Wallfischs im Vergleich zu dem Furtwänglers ist kaum denkbar. Die Tochter einer gut bürgerlichen jüdischen Familie in Breslau nimmt bereits als Kind Cello-Unterricht, was ihr nach der Verschleppung ins KZ Auschwitz das Leben retten sollte. Sie wird im Lager Teil des berühmten Mädchenorchesters von Auschwitz, das von der Geigerin Alma Rosé, einer Nichte Gustav Mahlers begründet und geleitet wurde. Solche Orchester gab es nahezu in allen Lagern der NS-Zeit, für manche Häftlinge bedeutete die Musik in ihrer furchtbaren Situation Trost, andere wieder fühlten sich dadurch verhöhnt. Für Anita Lasker, wie sie damals noch hieß, wurde sie zur Rettung und zum Überlebensmotor.

Lasker emigrierte nach ihrer Befreiung nach England, wo sie als Berufsmusikerin lebte und den Pianisten Peter Wallfisch heiratete. Ursprünglich wollte sie nie mehr deutschen Boden betreten, änderte aber später ihre Meinung, weil “Haß uns selbst vergiftet“. Die heute 97-Jährige besucht immer wieder deutsche Schulklassen und erzählt ihre Geschichte als Mahnung für die jüngere Generation.

Ungleich glamouröser und erfolgreicher Verlief das Leben des Dirigenten Furtwängler, der dem deutschen Bildungsbürgertum entstammte, und wie sein Vorgänger Arthur Nikisch sowohl Gewandhauskapellmeister in Leipzig, als auch Chefdirigent der Berliner Philharmoniker wurde. Auch zum Direktor der Berliner Staatsoper wurde er von Goebbels ernannt.

Furtwängler nutzte seine exponierte Stellung durchaus dafür, verfolgten Musikern jüdischer Abstammung zu helfen, schuf sich damit aber schnell Feinde beim Regime. Letzten Endes ließ sich der Künstler Furtwängler doch von den Machthabern korrumpieren, wie so viele andere auch.

Erstaunlich, dass Lasker-Wallfisch im Interview dafür Verständnis zeigt. Unterfüttert werden die Erzählungen der beiden Lebenswege durch interessante Filmdokumente, die man so bisher noch nie gesehen hat. Da sind Konzertmitschnitte Furtwänglers in der alten Berliner Philharmonie an der Bernburger Straße darunter, aber auch das Lager Auschwitz, wie es heute als Museum und Gedenkstätte genutzt wird, ist ausführlich zu sehen.

Den roten Faden bildet ein umfangreiches Interview mit Lasker-Wallfisch, zu Wort kommen aber auch Historiker und Zeitzeugen wie die Stiefkinder Wilhelm Furtwänglers. Der Reiz dieses Films liegt tatsächlich in dem krassen Gegensatz der beiden erzählten Biographien, die flüssig erzählt werden und interessantes historisches Material beinhalten.

Klassik unterm Hakenkreuz

Der Maestro und die Cellistin von Auschwitz

Ein Film von Christian Berger

C major 762808

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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