Schostakowitsch flüchtet sich in Zynismus: Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr.1, Symphonie Nr.9

Schostakowitsch flüchtet sich in Zynismus:  Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr.1, Symphonie Nr.9

Ein Blick auf die Opuszahlen dieser beiden Werke von Dmitrij Schostakowitsch weist auf die gänzlich unterschiedliche Entstehungszeit hin, aber trotzdem ähneln sie sich. Sie parallel in einem Konzert aufzuführen, macht also Sinn. Tatsächlich stammen die hier gekoppelten Live-Mitschnitte aber aus zwei unterschiedlichen Konzerten.

Das spritzige, höchst originelle Klavierkonzert von 1933 spielt auf witzige Art mit der traditionellen Form dieses Genres. Der erst 26-jährige Komponist gibt sich hier unbekümmert respektlos, streut musikalische Zitate ein und gibt bereits einen Vorgeschmack auf die weitere Entwicklung des Komponisten. In dem Konzert vom Oktober 2012 im Münchner Herkulessaal sind der Pianist Yefim Bronfman und der Trompeter Hannes Läubin die Solisten. Ihnen gelingt eine virtuose Wiedergabe mit Hilfe des Dirigenten Mariss Jansons  und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zur hörbaren Freude des Publikums.Die extrem kurze 9. Symphonie hat ihre ganz eigene Entstehungsgeschichte. Schostakowitsch hatte mit seiner 7. und 8. Symphonie tief erschütternde Bilder von der Grausamkeit des Krieges gezeichnet. Speziell seine 7., die so genannte „Leningrader“ begründete seinen internationalen Ruhm. Das stalinistische Regime erhoffte sich vom Komponisten eine entsprechend pompöse Apotheose des großen Sieges der Sowjetunion. Was der regimekritische Komponist aber ablieferte, trägt fast schon satirischen Charakter. Schostakowitsch folgt zwar auch hier dem klassischen Aufbau einer Symphonie. Die ersten vier Sätze, die musikalisch wohl bewusst eher einfallslos gehalten sind, gipfeln in einem Allegretto, das in einen grotesken Zirkusmarsch mündet, der im „heroischen Es-Dur“ gehalten ist. Diese unter einer halben Stunde ungewöhnlich kurze Symphonie wurde bei der Uraufführung 1945 von den Machthabern auch ganz richtig als Provokation erkannt und brachte den Komponisten erneut in große Gefahr. Schostakowitsch verstummte danach künstlerisch für längere Zeit, Werke die in dieser Zeit entstanden, wurden erst nach Stalins Tod uraufgeführt.

Mariss Jansons dirigierte die 9. Symphonie bei einem Gastauftritt seines Orchesters am 21. März 2011 im goldenen Saal des Wiener Musikvereins. Er und das Orchester wurden am Ende für ihre pointierte, atmosphärisch dichte Interpretation gefeiert.

Mit dieser CD erscheint ein weiteres Dokument der fruchtbaren Zusammenarbeit des 2019 verstorbenen Dirigenten und des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Auf die Hebung weiterer Schätze aus dem Archiv darf man gespannt sein!

Schostakowitsch

Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr.1
Symphonie Nr.9

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Mariss Jansons

BR Klassik 900202

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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