Schöne neue Opernwelt – Eingriffe in die Partituren?

Schöne neue Opernwelt – Eingriffe in die Partituren?

Zum Abschied nach seiner langen und erfolgreichen Intendanz an der Bayerischen Staatsoper in München wünschte sich der österreichische Theatermann keine Jubel-Publikation, die seine Tätigkeit am Haus glorifiziert, vielmehr stellte er die Manuskripte von Dialogen mit fünfzehn Regisseuren, die an seinem Haus gearbeitet hatten, in Buchform zusammen.

Die Idee klingt interessant, besonders weil sich darunter sehr prominente Vertreter ihrer Zunft befinden. Am Ende hat Bachler den meisten unter ihnen aber einen Bärendienst erwiesen. Selten konnte man in so konzentrierter Form nachlesen, dass die Mehrzahl der Gesprächspartner Bachlers absolut nichts Substantielles zu sagen haben, auch überhaupt nicht in der Lage sind, ihre Vorstellungen vom Musiktheater zu formulieren und zu definieren.

Als weiße Raben ragen aus der Sammlung der inzwischen verstorbene Hans Neuenfels, der ja noch einer anderen Generation angehörte, Barrie Kosky, Martin Kušej, und vielleicht noch Dmitri Tcherniakov heraus, Letzterer aber hauptsächlich wegen seiner ungewöhnlichen Selbstentblößung.

Der Rest der Befragten ergeht sich in Gemeinplätzen, wobei Bachler selbst als Fragesteller keineswegs eine besonders glückliche Figur abgibt.

Kennt man Arbeiten der einzelnen Regisseure, findet man in diesen Interviews die Entsprechung ihrer Arbeit. Es sind stets des Kaisers neue Kleider, welche die Regisseure tatsächlich nackt und unbedarft erscheinen lassen. Es verfestigt sich der Eindruck, dass heute nicht mehr aus einem Bildungsfundus heraus gearbeitet wird, sondern lediglich der eigene enge Erfahrungshorizont zum Maßstab erhoben wird. Das führt auch zum unausrottbaren Missverständnis, man könnte oder müsste Oper modernisieren und damit banalisieren.

Die Kunstform Oper verdankt seit ihren Anfängen ihre Wirkung der Schönheit der Musik, der opulenten optischen Präsentation. Inzwischen ist sie durch das Fehlen neuer, zeitgemäßer Werke in den Fokus einer neuen Ästhetik des Musiktheaters geraten, die mit den Werken so umgeht, wie einst Aschenputtels Schwestern, die sich Fersen und Zehen abhackten, um in den goldenen Schuh des Prinzen zu passen.

Dmitri Tcherniakov, derzeit einer der prominentesten Opernregisseure weltweit, ist schon einen Schritt weitergegangen. Er kreiert Inszenierungen, die in sich zum Teil durchaus gelungene Arbeiten sind, die aber eine gänzlich andere Geschichte erzählen, als sie im jeweiligen Werk angelegt ist. Das Gespräch Bachlers mit ihm ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Regisseur darin entwaffnend offen über eigene psychische Probleme spricht, und ein reichlich krudes Bild der eigenen Person zeichnet.

Im Gespräch mit ihm nimmt man amüsiert wahr, wie Bachler sich manche Dinge schönredet. Er schwadroniert über den großen Erfolg von Tcherniakovs Freischütz-Inszenierung, die in Wahrheit aber vom Publikum und der Presse sehr negativ aufgenommen wurde. Man liest auch mit Schrecken, dass Bachler sich für die Zukunft Eingriffe in die Partituren wünscht. Soll das die schöne neue Opernwelt werden?

Nikolaus Bachler
Sprachen des Musiktheaters

Dialoge mit fünfzehn zeitgenössischen Regisseuren

SchirmerMosel

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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