„Samson und Dalila“ aus London: Bei dieser Inszenierung geht die Aktualisierung nach hinten los

„Samson und Dalila“ aus London: Bei dieser Inszenierung geht die Aktualisierung nach hinten los

Die hier gezeigte Produktion stammt aus dem Jahr 2022, Regie führte der erfahrene Richard Jones, man kann ihn der Szene des so genannten Regietheaters zurechnen. Für diese Produktion der Oper von Saint-Saëns, die einen biblischen Hintergrund hat, kam er auf die nicht unproblematische Idee, die Handlung in die Gegenwart und nach Gaza zu verlegen. Das wäre schon in normalen Zeiten ein wenig schräg gewesen, aber seit Ausbruch des Krieges in Gaza ist diese Verortung doppelt in Schieflage geraten.

Die einzige bis heute auf den Spielplänen anzutreffende Oper des französischen Komponisten war ursprünglich als Oratorium konzipiert, das erklärt auch die vielen eher statischen Chorszenen des Werkes. Diese Statik zu durchbrechen, müsste die Aufgabe des Regisseurs sein, aber Jones fällt für den Chor nichts Überzeugendes ein, da wird nur herumgestanden, und gesungen.

Eine Vorliebe scheint der Regisseur auch für ziemlich realistisch ausgeführte Folterungen und andere Grausamkeiten zu haben. Die sind zwar durchaus im Stück angelegt, aber man kann so etwas auch geschmackvoller gestalten. Die Bühne ist meistens hässlich möbliert, die Behausung Dalilas ist eine schmucklose Wellblechhütte. Den Offenbarungseid leistet die Regie allerdings beim Schlussbild, das den Triumph der Philister, ihr Bacchanal und schließlich Samsons Kraftakt inklusive Einsturz des Tempels beinhaltet. Zu einer seltsamen Choreographie bewegen sich Chor und Tänzer rhythmisch tänzelnd, mehr geschieht da nicht.

Der Chor und das Orchester des Königlichen Opernhauses unter Antonio Pappano machen ihre Sache souverän und ansprechend, Pappano ist in so gut wie allen Stilen zu Hause und führt auch dieses Werk in einen sicheren musikalischen Hafen.

Das titelgebende Liebespaar stellt sich seinen schwierigen Aufgaben couragiert, mit unterschiedlichem Resultat. Der aus Südkorea stammende Tenor Seokjong Baek hat erst kurz vor dieser Aufführung vom Bariton zum Tenor gewechselt, die Aufführung war sowohl sein Fach- als auch Rollendebüt. Er stattet den gebrochenen Helden Samson mit kräftigem, schön timbrierten Tenor aus, der durchaus auch über lyrische Qualitäten verfügt. Die Dalila ist mit Elena Garanča zwar prominent, aber deshalb nicht unbedingt optimal besetzt. Man muss sich immer wieder fragen, warum diese Sängerin zum großen Star aufgestiegen ist. Nicht geringen Anteil daran dürfte sicherlich ein geschicktes Management und eine potente Agentur haben. Wenn ein Publikum über Jahre immer wieder gesagt bekommt, die Frau wäre Weltklasse, dann glaubt es das auch. Sänger wie Garanča profitieren auch von der schrumpfenden Zahl wirklicher Spitzensänger. An ihrem Gesang ist wenig auszusetzen, ein echtes Feuer kann ihr beweglicher Mezzosopran aber nicht entfachen. Garanča ist zwar eine sehr gut aussehende Frau, es fehlt ihr aber an Temperament und schauspielerischem Talent. Jede Geste wirkt einstudiert und steif.

Lukasz Golinski als Oberpriester hinterlässt als Darsteller und mit sonorem Bass einen blendenden Eindruck, die kleinsten Rollen sind ebenfalls gut besetzt. Die Freude an der Produktion wird aber durch die wenig ansprechende Optik getrübt, welche die Längen des etwas zähen Werkes noch betont. Nur bedingt empfehlenswert!

Camille Saint-Saëns
Samson et Dalila

Richard Jones   Regie
Orchestra and Chorus oft the Royal Opera House London

Antonio Pappano,  Dirigent

Opus Arte  OABD 7315D

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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