Puccinis „Turandot“ unter Pappano: Die Zwischentöne werden hörbar

Puccinis „Turandot“ unter Pappano: Die Zwischentöne werden hörbar

Puccinis letzte, unvollendet hinterlassene Oper, „Turandot“ stellt stets eine große Herausforderung für alle an einer Aufführung oder Einspielung Beteiligten dar. Puccinis Schüler Franco Alfano hatte die Oper nach Puccinis Tod vollendet, der Dirigent der Uraufführung, Arturo Toscanini, kürzte allerdings diese Version bei der Premiere an der Mailänder Scala 1926.

Für die soeben erschienene Neuaufnahme der Oper entschied sich Antonio Pappano aber für die vollständige Version von Alfanos Ergänzungen, was der Einspielung durchaus gut bekommt. Diese Oper enthält geradezu bombastische Passagen, so ist z.B. die Rolle des Chores umfangreicher als in den meisten Opern. Mit jenem der Academia di Santa Cecilia und auch deren Orchester steht Pappano ein optimaler Apparat für diese Aufnahme zur Verfügung. Der Dirigent, der dieses Werk zum ersten Mal aufführt, hat diese Einspielung sehr sorgfältig vorbereitet und konzipiert, das ist in jeder Phase zu hören, und lenkt das Ohr auch zu den lyrischen Passagen, die in diesem als „Brülloper“ verschrienen Werk durchaus vorhanden sind. Pappano lässt die Musik geradezu funkeln und arbeitet selten gehörte Passagen sehr transparent heraus. Wo es vorgesehen ist, setzt er aber auch die geballte Kraft von Orchester und Chor ein. Antonio Pappano hat diesen Klangkörper über die Jahre zu einem Spitzenensemble geformt.

Entscheidend für das Gelingen dieser Oper sind natürlich die Solisten. Dem Dirigenten stand eine ganze Riege von Spitzensängern zur Verfügung, angefangen von Mattia Olivieri, Gregory Bonfatti und Syabonga Maqungo als das Terzett der Minister. Diese Commedia dell’Arte- Charaktere, in ihrer Funktion vergleichbar den drei Damen in Mozarts „Zauberflöte“ bringen frische, jugendliche Stimmen mit. Eine Luxusbesetzung ist der junge Baritenor Michael Spyres für den greisen Kaiser, dem er markantes Profil gibt.

Ein wenig enttäuschend ist Michele Pertusi in der Rolle des Timur. Sein Bass klingt aufgeraut, ein wenig stumpf und aus dem Fokus geraten. Ein Labsal dagegen Ermonela Jaho als Liu, die nicht nur ihre beiden Arien mit dem aufblühenden Timbre ihres lyrischen Soprans beseelt. Sie phrasiert kunstvoll und zart, wird dem Charakter ihrer Rolle optimal gerecht.

Das größte Problem dieses Werkes bildet zumeist die Besetzung der Titelrolle. Gefordert ist ein großer, ausladender Sopran, der gleichzeitig aber auch über ein lyrisches Potential verfügen sollte. Diese Quadratur des Kreises gelingt in diesem Fall mit der Wahl von Sondra Radvanovsky. Die Sopranistin, die in den Nuller-Jahren ein Schattendasein als Zweitbesetzung an der New Yorker Met führte, hat sich über die europäischen Opernhäuser aber inzwischen ihren verdienten Weltruhm erarbeitet. Im Auftritts-Monolog und der Rätselszene besitzt ihr Sopran tatsächlich die nötige Durchschlagskraft, gleichzeitig gelingen ihr aber auch die lyrischen Zwischentöne ausgezeichnet. Ihr großer Sopran leuchtet förmlich im Farbenspektrum ihrer perfekt geführten Stimme. Sie zeichnet ein glaubwürdiges Porträt dieser Figur, die sich von eisiger Kälte in eine liebende Frau verwandelt, was selten so gut gelingt, wie in dieser Einspielung.

Der eisumgürteten Prinzessin ist als Gegenspieler der von Beginn an liebende Prinz Calaf gegenübergestellt.  Jonas Kaufmanns kräftiger Tenor ist aber leider das Ärgernis der Einspielung. Zwar gelingen ihm durchgängig strahlende, lange gehaltene Spitzentöne, aber seine Tendenz, zu laut zu singen, setzt sich auch hier wieder durch. Er verleiht seiner Stimme einen unschön klingenden Druck, und verfällt durchgehend in brüllende Lautstärke. Die Fähigkeit mezza voce singen zu können, scheint Kaufmann abhanden gekommen zu sein. Dadurch kehren sich die Verhältnisse in der Oper um: die eiskalte Prinzessin verfügt über sanftes, lyrisches Potential, während der gefühlvolle Liebende mit Schwermetall um sich wirft. Radvanovsky ist klug genug, sich nicht von der Lautstärke des Partners mitreißen zu lassen, und geht am Ende als Siegerin vom Platz.

Für Pappano, Radvanovsky und Kaufmann ist es jeweils ein Debüt. Der Sopranistin sollte man aber empfehlen, ihren kostbaren Sopran nicht zu oft mit dieser Rolle zu strapazieren.

Die in Rom im Frühjahr 2022 eingespielte Aufnahme dürfte einen Spitzenplatz in der überschaubaren Diskographie dieser Oper erhalten.

Ein kleines technisches Manko ist der teilweise hörbare Übergang zwischen den Tracks. Das sollte bei so einer hochkarätigen Produktion eigentlich nicht passieren. Ausstattung und Booklet sind ansprechend gestaltet und ein weiteres Plus.

Giacomo Puccini
Turandot

Sondra Radvanovsky
Jonas Kaufmann
Ermonela Jaho

Orchestra e Coro dell’Academia di Santa Cecilia
Antonio Pappano

Warner 5054197406591

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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