“Parsifal” begeistert die Zuschauer in der Bayerischen Staatsoper

“Parsifal” begeistert die Zuschauer in der Bayerischen Staatsoper
© Ruth Walz

Für die diesjährige Festspielpremiere hat die Bayerische Staatsoper in München eine Besetzung und ein Leitungsteam aufgeboten, wie es wohl nur ein Haus mit vergleichbarer finanzieller Ausstattung und Strahlkraft zu tun in der Lage ist. Dass sich diese Produktion mehr hören als sehen lassen kann, liegt an den doch sehr massiven Vorgaben, die Georg Baselitz‘ Bühnenbilder für den Regisseur Pierre Audi bedeuteten. Die kranken Bäume im ersten Akt, die sich nach bekannter Manier im dritten Akt auf den Kopf gestellt wieder finden, die jeder Sinnlichkeit entbehrende geborstene Mauer des zweiten Aktes sind doch sehr dominante Elemente. Der Regisseur Pierre Audi ließ offenbar seinen Sängern teilweise auch freie Hand bei der Gestaltung ihrer Rollen.

Jonas Kaufmann, nicht nur in seiner Heimatstadt München der Liebling des Publikums, verkörperte die Titelrolle. Er legt den Parsifal mehr als selbstbewussten jungen Mann, denn als naiven reinen Toren an. Dem entspricht auch seine sängerische Ausgestaltung der Rolle. Kaufmanns Stimme hat sich über die Jahre noch dunkler und baritonaler entwickelt, was seinen Verkörperungen eine stärkere virile Note verleiht, vielleicht für den naiven Jüngling, als der Parsifal angelegt ist, nicht optimal. Er überzeugt aber mit schöner Phrasierung, tragfähigem Piano, großer Textdeutlichkeit und starker Bühnenpräsenz.

Als Amfortas debütiert der Bariton Christian Gerhaher, der bisher mehr als Lied-und Konzertsänger hervorgetreten ist, sich aber mehr und mehr Opernpartien erobert. Stimmlich hat er mit der manchen Sängern unbequemen Tessitura der Rolle keine Probleme. Er lässt seinen warmen, geschmeidigen Bariton im Laufe des Abends immer mehr aufblühen und rückt auch durch intensives Spiel seinen Part deutlich ins Zentrum des Geschehens. Was das Setzen von Akzenten und die Textbehandlung betrifft, neigt er allerdings zu einzelnen etwas geschmäcklerischen Übertreibungen, darin dem unvergesslichen Dietrich Fischer-Dieskau nicht unähnlich. Unwillkürlich denkt man bei seinen hohen Tönen, ob er und Kaufmann nicht die Rollen tauschen könnten.

Für die Rolle des Gurnemanz, der dramaturgisch in dieser Oper den roten Faden der Handlung bestimmt, konnte man Rene Pape gewinnen, der die vielleicht ausgewogenste und souveränste Leistung des Abends bot. Sein kräftiger, aber dabei höchst modulationsfähiger Bass strömt frei und ohne Ermüdungserscheinungen den ganzen Abend lang balsamisch und wohltönend in die Ohren des dankbaren Publikums. Besonders hervorheben muss man Papes außerordentliche Textdeutlichkeit und saubere Diktion, die das Verständnis des doch eher komplizierten Werkes erleichtert. Für ihn hätte man sogar auf die obligatorische optische Übertitelung verzichten können.

Im zweiten Akt trifft man im Zaubergarten, dem es leider gänzlich an floralen wie farblichen Elementen fehlt, auf den Klingsor von Wolfgang Koch, der seine reichlich aggressive Rolle sehr glaubwürdig, aber ein wenig polternd verkörpert. Ein kräftiges Tremolo war nicht zu überhören, man kann für diesen großartigen Sänger nur hoffen, dass es nur einer schlechte Abendverfassung geschuldet war.

Für die Kundry, die einzige weibliche Solopartie dieser Oper, wurde die große Wagnersängerin Nina Stemme eingesetzt. Kundry ist eine Zwischenfach-Partie, wird eher häufig von Mezzosopranistinnen gesungen. Für den großen Sopran der Stemme scheint die Partie nicht optimal zu liegen, so ausgewogen die Stimme in der Mittellage klingt, in den großen Ausbrüchen geraten manche exponierte Töne doch unangenehm scharf und schrill. Aber das mag auch an der Abendform gelegen haben.

Die Gruppe der Blumenmädchen, angeführt von der ersten Blume Golda Schultz sang ausgezeichnet, beeinträchtigt war ihre dramaturgisch so wichtige Szene allerdings durch fleischfarbene Trikots, die die durchwegs jungen Frauen als Greisinnen mit welken Brüsten und faltiger Haut erscheinen ließen.

Die Palme des Abends gebührt eindeutig dem Dirigenten Kirill Petrenko. Was er an diesem Abend „seinem“ Bayerischen Staatsorchester entlockt, ist ein wahrer Zauberklang. Ihm gelingt das Kunststück, einen Bayreuth ähnlichen, gedeckten Klang zu erzeugen, obwohl das Orchester im Nationaltheater bekanntlich nicht abgedeckt ist. Es ist ein ästhetisches Vergnügen, Petrenko beim Dirigieren zuzusehen. Er scheint die Musik förmlich zu verkörperlichen, wiegt sich im Takt, beschreibt weit ausgreifende Gesten, die immer dem Fluss der Musik entsprechen. Seine Einsätze, speziell für die Sänger, sind von äußerster Präzision. Obwohl man keinen Augenblick das Gefühl hat, Petrenko würde hetzen, bleibt er mit einer Aufführungsdauer von exakt 240 Minuten mehr als eine halbe Stunde unter der Zeit von Knappertsbuschs legendären Bayreuther Auftritten. Beim Schlussapplaus fällt der Applaus für ihn, sein Orchester und den Chor am stärksten aus. Der durch zwei überlange Pausen sehr gedehnte Abend hinterlässt ein begeistertes Publikum.

Bayerische Staatsoper, München, 5. Juli 2018
Richard Wagner, Parsifal

Zuerst erschienen bei www.klassik-begeistert

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