Liederabend Lise Davidsen in der Berliner Staatsoper : Flüssiges Gold

Liederabend  Lise Davidsen in der Berliner Staatsoper : Flüssiges Gold

Seit dem 28. Dezember können in Berlin (und anderswo) Veranstaltungen nur noch mit einem tagesaktuellen negativen Corona-Test besucht werden. Das legt die Hürden für volle Säle sehr hoch, die Tatsache, dass dieser Liederabend der Ausnahmekünstlerin Lise Davidsen in einem nur gut zur Hälfte besetzten Saal stattfindet, ist wohl dieser Tatsache geschuldet.

Seit ihrem Sieg beim Operalia-Wettbewerb 2015 in London hat sich Lise Davidsen im Sturm die Opernhäuser und Konzertsäle Europas, auch der USA, erobert. Die schlanke, hoch gewachsene Sängerin geht sehr sorgsam mit ihrer Stimme um, noch macht die Mittdreißigerin einen Bogen um das hochdramatische Fach. Das ist klug, denn zu früh gesungene Brünnhilden und Isolden können eine Karriere sehr verkürzen, wie nicht wenige Sopranistinnen schmerzhaft erfahren mussten.

Dass Lise Davidsen sich auch dem Liedgesang widmet, und damit eine weitere Facette ihrer Stimme hören lässt, spricht ebenfalls für die Norwegerin. Genau einen Tag nach diesem Liederabend wird Davidsens Label DECCA eine CD veröffentlichen, die ausschließlich den Liedern Edvard Griegs gewidmet ist. Es verwundert daher nicht, dass der Schwerpunkt dieses Liederabends auf Kompositionen des Norwegers liegt.

Die an den Anfang gestellten sechs Lieder schrieb Grieg auf Texte deutscher Dichter. Das macht für das lokale Publikum den Einstieg leichter. Ein anschließender Zyklus von acht Liedern nach Arne Gaborg wirken bei aller Lyrik doch ein wenig spröde.

Nach der Pause folgen vier Lieder von Richard Strauss von hohem Bekanntheitsgrad und spätestens hier kann Davidsen aus der Fülle ihrer groß dimensionierten, trotzdem aber höchst modulationsfähigen Sopranstimme schöpfen. Das Lied „Cäcilie“ gerät zu einem Höhepunkt des Abends, gleichermaßen mit Strahlkraft wie auch mit gekonnter Zurücknahme der Stimme gesungen. Was wir besonders bei Strauss hören, ist flüssiges Gold, das skandinavischen Stahl ummantelt.

Den Schlusspunkt des offiziellen Programmes bilden die Wesendonck-Lieder Richard Wagners. Mit Ausnahme des Liedes „Träume“ hat Wagner die Lieder für Sopran mit Klavierbegleitung geschrieben. Die Instrumentierung für großes Orchester schuf später der Dirigent Felix Mottl. Die Lieder in ihrer ursprünglichen, intimen Form zu hören ist durchaus ein Gewinn. Davidsen phrasiert ungemein exakt und textverständlich, was man bei Mottls etwas dick aufgetragener Bearbeitung gar nicht hätte hören können. Für den vorgesehenen Leif Ove Andsnes, der sich aktuell mit Corona infizierte, sprang James Baillieu als Pianist ein. Zwischen ihm und der Sängerin scheint große Harmonie zu herrschen, seine sensible Begleitung lässt keine Wünsche offen.

Das Publikum wird an diesem Abend in eine kollektive Fangemeinde verwandelt, wenn es das nicht schon gewesen ist. Davidsen dankt für den Applaus mit einigen herzlichen Worten. Sie wüsste es zu schätzen, dass das Publikum für dieses Konzert einige Mühe auf sich nehmen musste.

Nicht enden wollender Applaus am Ende, aber mehr als zwei Lieder von Grieg lässt sich Lise Davidsen als Zugabe nicht entlocken. Reich beschenkt verlässt man das Haus, und wünscht sich ein baldiges Wiedersehen- und Hören mit dieser Künstlerpersönlichkeit.

Foto: Lise Davidson © Ray Burmiston | Decca Classics

Staatsoper Unter den Linden Berlin, 6. Januar 2022

Liedrecital
Lise Davidsen  Sopran
James Baillieu  Klavier

Lieder von Edvard Grieg, Richard Strauss und Richard Wagner

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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