Kirill Petrenkos triumphaler Schubert in der Berliner Philharmonie

Kirill Petrenkos triumphaler Schubert in der Berliner Philharmonie

Das Konzert zur Eröffnung der Saison in der Berliner Philharmonie ist stets ein gesellschaftliches Ereignis. In diesem 2. Jahr der Pandemie und nach unzähligen, ihr zum Opfer gefallenen Konzertterminen lechzt das Publikum förmlich wieder nach einem Konzerterlebnis in einem vollen Saal. Mit gewissen Einschränkungen war dies  an diesem 27. August wieder möglich, und schon der Auftrittsapplaus für die Musiker und schließlich für Kirill Petrenko geriet geradezu stürmisch.

Das Konzert war Musik der Romantik gewidmet, und Carl Maria von Webers Oberon-Ouvertüre setzte zu Beginn einen starken Akzent. Das effektvolle Stück mit seinen starken Kontrasten gab den Philharmonikern und Kirill Petrenko Gelegenheit ihre Brillanz zu demonstrieren.

Weber kommt indirekt noch einmal zu Wort, und zwar in Paul Hindemiths Symphonischen Metamorphosen über Themen des Komponisten. Das viersätzige Werk, das wenig bekannte Motive aus Webers Schaffen aufgreift, entstand im amerikanischen Exil Hindemiths und wurde 1944 in New York uraufgeführt. Die reizvoll gestaltete Instrumentation lässt bei aller Eigenständigkeit Webers Motive immer noch klar erkennen.

Das bedeutendste Werk  dieses Konzerts ist freilich Schuberts C-Dur-Symphonie, ganz zurecht die „Große“ genannt. Das Werk, das in seinen Dimensionen sogar Beethovens 9. Symphonie übertrifft, ist ein Schlüsselwerk der Romantik, man kann es getrost als das opus magnum des Komponisten bezeichnen. Schubert konnte es selbst nicht mehr hören, Robert Schumann entdeckte es in dessen Nachlass, erst 1839, also mehr als zehn Jahre nach Schuberts Tod, erlebte die Symphonie in Leipzig ihre Uraufführung, Dirigent war kein Geringerer als Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Es ist ein sehr selbstbewusster Schubert, der uns hier begegnet. Schon die einleitende Bläserfanfare setzt den feierlich nachdrücklichen Ton. Immer wieder wechseln leichtfüßige Streicherfiguren mit markanten Passagen der Blasinstrumente. Hinter der scheinbaren Fröhlichkeit dieser Musik versteckt sich aber auch eine gewisse Melancholie, ein Charakteristikum des gesamten Oeuvres des Komponisten. Der zweite Satz, der mit einem frech fröhlichen Motiv der Klarinette beginnt türmt sich im Verlauf im Marschrhythmus mächtig auf, bis es zu einer Entladung kommt, die eine lange gehaltene Generalpause nach sich zieht, nach der der musikalische Fluss erst langsam wieder an Fahrt gewinnt. Mag sein, dass Schubert dies als Schilderung einer persönlichen emotionalen Katastrophe verstanden hat.

Das Scherzo führt tänzerische Elemente ein, die in ihrer eindringlichen Form durchaus etwas trotzig klingen. Im Verlauf des bewegten Final-Satzes sind deutlich Zitate aus Beethovens Ode an die Freude auszumachen. Will Schubert hier auftrumpfen, oder ist es mehr eine Verbeugung vor der Überfigur Beethoven? Der Satz steigert sich immer mehr in ein furioses Finale von brennender Intensität.

Kirill Petrenko und inzwischen wirklich „seine“ Berliner Philharmoniker musizieren mit einer feurigen Hingabe, wie sie selten zu erleben ist. Petrenkos große Stärke ist es, die Struktur eines Werkes zu durchleuchten, transparent zu machen, ohne dabei jemals in trockene Analyse zu verfallen. In dieser Interpretation werden auch die „himmlischen Längen“ des Werkes nicht als solche wahrgenommen.

Das Publikum bereitet Dirigent und Orchester am Ende stehende Ovationen, jeder im Saal ist sich bewusst, ein besonderes musikalisches Ereignis erlebt zu haben.

Carl Maria von Weber
Ouvertüre zur Oper Oberon

Paul Hindemith
Symphonische Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber

Franz Schubert
Symphonie Nr.8 C-Dur D 944 „Große“

zuerst erschienen beihttp://www.klassik-begeistert.de

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