Kirill Petrenko wirbelt durch drei Jahrhunderte der Musikgeschichte

Kirill Petrenko wirbelt durch drei Jahrhunderte der Musikgeschichte

Wenn Kirill Petrenko nicht schon längst seine Vielseitigkeit unter Beweis gestellt hätte, mit diesem Konzertprogramm wäre es ihm endgültig gelungen. Mozart, Berg und Brahms an einem Abend auf das Programm zu setzen ist ungewöhnlich, aber mit einem Klangkörper der ersten Garnitur wie den Berliner Philharmonikern gelingt das Wagnis.

Mozarts A-Dur Symphonie zum Auftakt zeigt den 18-jährigen Komponisten bereits auf der Höhe seiner Kunst und seiner Vertrautheit mit der Gattung Symphonie. Petrenko am Pult sorgt für Ausgewogenheit der Tempi, gleichzeitig für die Transparenz der Themenvielfalt in dem erstaunlich reifen Werk. Seine Tempi wirken teilweise etwas robust, aber das bekommt dieser Musik erstaunlich gut.

Einen gewaltigen Kontrast bieten die folgenden drei Orchesterstücke von Alban Berg. Der junge Komponist widmete diese zwischen 1913 und 1915 entstandenen relativ kurzen aber markanten Stücke seinem Lehrer Arnold Schönberg, im Jahr 1929 erstellte er eine revidierte Fassung, in der das Werk auch diesmal erklang. Berg verlangt eine ausladend dimensionierte Orchesterbesetzung, verwendet vereinzelt Zitate anderer Komponisten, schafft aber letztlich doch etwas eigenständig Neues. Die Berliner Philharmoniker sind in ihrem Element, die komplizierte Partitur gibt den einzelnen Orchestergruppen reichlich Gelegenheit, virtuos zu glänzen. Sie zaubern ein polyphones, streckenweise gleißendes Klangbild, das eine wahre Sogwirkung entfaltet. Nach dem finalen Hammerschlag bricht große Begeisterung im Saal aus.

Abermals müssen die flinken Orchesterwarte das Podium gänzlich umrüsten, Mozart, Berg und Brahms verlangen völlig unterschiedliche Besetzungen. Als Krönung folgt nun Brahms’ letzte, die e-moll Symphonie. Es ist jedes Mal faszinierend, wie der Komponist vergleichsweise simple melodische Einfälle mittels seiner Instrumentierungskunst in äußerst wirkungsvolle Klangbilder zu gießen vermochte. Petrenko versteht es, den Spannungsbogen von Satz zu Satz zu steigern, er setzt immer wieder kräftige Akzente, die das Vertraute neu erleben lassen. Ein optisches Vergnügen bereitet es, den Dirigenten zu beobachten. Petrenko setzt die Musik für sich selbst in eine geschmeidige Choreographie um, da wird schon einmal am Podium getänzelt, der Rhythmus fährt ihm in Arme und Beine.

Am Ende belohnt langer Applaus des begeisterten Publikums Orchester und Dirigenten. Auch als die Musiker bereits das Podium verlassen haben, wird weiter applaudiert, worauf Petrenko sich noch einmal allein verbeugt. Das Berliner Publikum hat längst begriffen, was für ein Glücksfall die Wahl dieses damaligen „Außenseiters“ für das Orchester bedeutet.

Kirill Petrenko © Monika Rittershaus

Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie Nr. 29

Alban Berg
Drei Orchesterstücke op.6

Johannes Brahms
Symphonie Nr. 4

Kirill Petrenko
Berliner Philharmoniker

Philharmonie Berlin, 3. November 2023

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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