Kindergeburtstag mit Rameau in der Semperoper – Rolando Villazon reduziert „Platee“ auf Pappnasen-Klamauk

Kindergeburtstag mit Rameau in der Semperoper – Rolando Villazon reduziert „Platee“ auf Pappnasen-Klamauk
© rolandovillazon.com

Mit Spannung wurde in Dresden die Premiere von Jean-Philippe Rameaus Ballett-Oper „Platee“ erwartet. Zeichnete doch Rolando Villazon für die Regie verantwortlich. Villazon, einst gefeierter Star-Tenor, versucht sich seit seinem stimmlichen Absturz in den verschiedensten Berufen:

vom Bariton zum Romanautor, vom Moderator zum Werbespot-Clown, und schließlich zum Opernregisseur. Dilettant nannte man so etwas früher, heute sagt man Allrounder.

Sein Ansatz für den mythologisch-satirischen Stoff greift denkbar kurz: bei ihm spielt die Handlung in einem College, deshalb dürfen anfangs Chor und Statisterie in kurzen Hosen auftreten und im Wesentlichen auf der Bühne auf und ab laufen. Später gesellen sich quietschbunt kostümierte Figuren zum studentischen Volk, die fatal an die berüchtigten Tele-Tubbies erinnern. Warum die Bühnenbilder Harald Thors dem Beton-Brutalismus huldigen, bleibt wohl sein Geheimnis. Die anfängliche Übersichtlichkeit der Abläufe wird im Laufe des Abends immer undurchsichtiger, mal findet ein Jahrmarkt mit Schießbude statt, mal werden an die Tänzer unmotiviert rote Pappnasen ausgeteilt- die Anmutung eines Kindergeburtstages (Preiskategorie C) nimmt erschreckend überhand.

Einzig der Folie in Gestalt der lettischen Sopranistin Inga Kalna im zweiten Akt ist eine gewisse Auflockerung der drögen Szene zu danken. Unbeirrt ob stimmlicher Defizite gibt sie dem Affen so viel Zucker, dass es für das gesamte Ensemble reicht, und den Abend doch noch der sich verbreitenden Langeweile entreißt.

Musikalisch sieht die Vorstellung trotz des inspirierten Dirigats von Paul Agnew die Sächsische Staatskapelle nicht ganz auf ihrem gewohnt hohen Niveau. Die Barockoper ist in Dresden doch eine eher selten anzutreffende Spezies. Höchstes Lob muss man dem Tenor Philippe Talbot aussprechen, der als Platee den gesamten Abend tragen muss, da verzeiht man auch gewisse stimmliche Defizite in der Höhe und im Abschluss der Phrasierungen. Ein wenig dröhnend der Jupiter von Andreas Wolf, kratzig die Juno Ute Selbigs. Der Rest entledigt sich achtbar seiner Aufgaben. Was so nicht für den Choreographen Philippe Giraudeau gilt, es sei denn, man bezeichnet rhythmisches Rudern mit Armen und Beinen als Choreographie.

Einem Schlüsselwerk des französischen Barock wird diese Aufführung in keinem Augenblick gerecht.

Das ist das Fatale am seichten Humor: es findet sich immer Einer, der lacht, das steckt an, und am Ende ist das Publikum korrumpiert, ohne es zu merken. Jubelnde Zustimmung am Ende für das Leitungsteam. Ist dies das neue Niveau der Semperoper?

Semperoper Dresden, 6. April 2019
Jean-Philippe Rameau, Platee

Zuerst erschienen bei www.klassik-begeistert.de

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