Karajans „Don Carlo“ von 1986: auch damals war nicht alles Gold, was glänzte

Karajans „Don Carlo“ von 1986: auch damals war nicht alles Gold, was glänzte

Die Neuveröffentlichung der alten Opernvideos von Herbert von Karajans Salzburger Inszenierungen wird mit dem Don Carlo von 1986 fortgesetzt. Es ist interessant, mit dem Abstand von mehreren Jahrzehnten, die damaligen Gesangsstars und Karajans Dirigate und Inszenierungen neu zu bewerten.

Eine patriarchalische Figur wie der gebürtige Salzburger Karajan ist heute in dieser Form nicht mehr denkbar, inzwischen ist ein völlig neuer Typus von Pultstars in der ersten Reihe der Dirigenten, und das ist gut so.

Der Regisseur Karajan nutzte die überdimensionierte Bühne des großen Salzburger Festspielhauses für konventionelle Tableaus, stets bleibt er dicht am Libretto, eine inzwischen ausgestorbene Tugend. Der Bühnenbildner Günther Schneider-Siemssen bildet ein authentisches Spanien der Zeit Philipps des II. ab, auch die prunkvollen Kostüme von Georges Whakhévitch sind stilrein historischen Vorbildern nachgearbeitet. Heute wäre man für Authentizität dieser Art auf der Opernbühne dankbar, im Tausch bekommt man beliebigen Trash vom Wühltisch.

Der Dirigent Herbert von Karajan legt den Don Carlo als breites historisches Gemälde auch in seinem Dirigat großflächig an, wobei ihm die Tempi, speziell im 5. Akt, sehr ausladend und dadurch nicht unbedingt sängerfreundlich geraten. Auf das Ensemble damaliger Weltstars kann er allerdings getrost bauen, wobei auch damals nicht alles Gold war, was glänzte.

Ferruccio Furlanetto gibt einen vielleicht zu jugendlichen König Philipp, der stimmlich ein wenig poltert, aber durchaus die verlangte Autorität glaubwürdig macht. Der damals erst 37-jährige Sänger ist als einziger der Besetzung noch aktiv. José Carreras, ein wenig älter als sein Bühnenvater, bringt das richtige Temperament für den feurigen Infanten mit, sein schöner lyrischer Tenor gerät in dieser Spinto-Partie stellenweise aber doch an seine Grenzen. Ein wenig enttäuscht Piero Cappuccilli als sein Busenfreund Posa, der kostbare Bassbariton des großartigen Sängers wirkt in dieser Aufführung ein wenig stumpf und trocken, man muss aber bedenken, dass er zum Zeitpunkt der Aufführung bereits seinen 60. Geburtstag hinter sich hatte. Ein eindrucksvoll düsteres Porträt des eisigen Großinquisitors liefert Matti Salminen. Es gelingt ihm, die Unerbittlichkeit seiner bösartigen Figur plastisch auf die Bühne zu bringen.

Als Elisabetta setzte Karajan seine jugendliche Entdeckung Fiamma Izzo D’Amico ein, erst 22 Jahre alt singt sie zwar glockenrein und schön, wirkt in Spiel und Ausstrahlung aber deutlich überfordert. Hier erlebt man ein Beispiel, wie Karajan manche Sänger zwar förderte, sie aber gleichzeitig überforderte. Die Karriere der Sängerin war kurz, heute ist ihr Name nur noch eine historische Fußnote. Der alle überstrahlende Star der Aufführung ist aber eindeutig die Prinzessin Eboli der Agnes Baltsa, die sich zu dieser Zeit auf dem Zenit ihrer Karriere befand. Der Mezzosopranistin stand eine leuchtende Sopranhöhe zur Verfügung, in ihren beiden Arien kann sie die dunkle Glut ihrer Stimme voll entfalten, solche Spitzentöne hat man in dieser Partie selten gehört. Fans, die eine bestimmte lettische Sängerin heute für das Maß aller Dinge halten, sollten sich das einmal anhören. Luxuriös groß besetzt ist  der Chor, bestehend aus dem Wiener Staatsopernchor, dem Chor der Nationaloper Sofia und dem Salzburger Konzertchor.

Die Sängerbesetzung versammelte die damalige Creme der Opernszene, Idealbesetzungen in allen Rollen gab es aber auch damals selten. Diese Zeitreise in das Jahr 1986 ist aber in jedem Fall interessant, speziell den Mythos Herbert von Karajans kann man in seiner Doppelfunktion als Regisseur und Dirigent kritisch überprüfen.

Verdi   Don Carlo

Berliner Philharmoniker
Herbert von Karajan

c-major 761604

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

Menü schließen