Jordi Savall interpretiert Beethovens „Missa Solemnis“ lyrisch und zart

Jordi Savall interpretiert Beethovens „Missa Solemnis“ lyrisch und zart

Jordi Savall, der katalanische Musikwissenschaftler, Gambist und Dirigent, ist über seine Heimat hinaus als Interpret bevorzugt alter Musik bekannt und ein gern gesehener Gast auf den Konzertpodien Europas.

Mit dem von ihm begründeten Orchester Le Concert des Nations und der Capella Nacional de Catalunya hat der inzwischen über achtzigjährige Savall für das ebenfalls von ihm geschaffene Label Alia Vox zu dessen 25-jährigem Jubiläum eine Aufnahme von Beethovens Missa Solemnis produziert.

Vorangegangen waren der Aufnahme Konzerte in Dresden, Barcelona und Paris, die Einspielung fand schließlich im Mai 2023 im katalanischen Cardona statt. Das Ergebnis ist eine dichte, stilistisch geschlossene Interpretation, die sich deutlich vom gewohnten Hörbild des Werkes unterscheidet. Savall dirigiert das Werk in sehr breiten Tempi, und streckenweise dimmt er die Lautstärke deutlich herab, was manchen Passagen eine schwebende Leichtigkeit verleiht. Das führt allerdings dazu, dass man die Wucht, die diesem Werk eigen ist, vermisst. Auffällig eine Überbetonung der Pauken, die stellenweise nicht gut in den Gesamtklang integriert erscheinen.

Dem betont lyrischen Charakter von Savalls Interpretation entspricht auch die Besetzung der vier Solisten mit Lina Johnson (Sopran), Olivia Vermeulen (Alt), Martin Platz (Tenor) und Manuel Walser (Bass).

Sie verfügen alle über ausgezeichnete Stimmen, denen es aber an entscheidenden Stellen an der Durchschlagskraft fehlt. Man ist gewohnt, dieses Quartett mit gestandenen Opernsängern besetzt zu hören, die den Herausforderungen der Partitur eher gerecht werden. Savalls lyrisches Konzept für die Aufführung beschert dem Hörer allerdings Passagen von emotionaler Innigkeit und Dichte, die speziell im Benedictus beinahe zu Tränen rühren. Doch immer wieder vermisst man gleichzeitig die Dominanz der Solisten gegenüber dem Chor. Bei Savall scheinen sie in diesen integriert, was das Klangbild doch entscheidend verändert. Im Agnus Dei erwartet man eine markantere Antwort des Tenors auf die Trompeten und Pauken, die ja sowohl an Krieg als auch an das Jüngste Gericht denken lassen.

Für sich genommen ist die Aufnahme aber ein beeindruckendes Zeugnis von Savalls künstlerischer Potenz und der Qualität der von ihm begründeten Klangkörper.

Das prächtige, reich illustrierte Booklet hebt die Veröffentlichung in den Rang des Besonderen. Man kann sie als Alternative zu anderen Aufnahmen des Kataloges auch durchaus empfehlen.

Ludwig van Beethoven
Missa Solemnis

La Capella Nacional de Catalunya
Le Concert des Nations
Jordi Savall

Alia Vox AVSA 9956

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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