Freudvoll, leidvoll, mühevoll: Jonas Kaufmann singt Lieder von Liszt

Freudvoll, leidvoll, mühevoll: Jonas Kaufmann singt Lieder von Liszt

Franz Liszt ist nicht unbedingt als Liedkomponist bekannt, bei Liederabenden ist manchmal das eine oder andere Lied aus seiner Feder zu hören, aber komplette Liszt-Programme finden im Konzertsaal so gut wie nie statt.

Der wohl beste aller gegenwärtigen Liedbegleiter, der Pianist Helmut Deutsch, hat offenbar seinen Schüler Jonas Kaufmann zu einer reinen Liszt-CD überredet. In einem sehr engagierten Beitrag im Booklet dieser CD outet sich Deutsch als bekennender Liszt-Fan und bricht eine überzeugende Lanze für den Lied-Komponisten Liszt. Sein Engagement hat zur Folge, dass in den 20 Titeln dieser CD der Klavierpart oft überzeugender klingt, als die Singstimme.

Es heißt, Kaufmann hätte die Chance genutzt, während des Corona-Lockdowns die unerwartet freie Zeit für dieses Projekt zu nutzen. Das stimmt wohl auch, aber der Aufnahmetermin Juni 2020 fällt in eine Zeit, da Kaufmann noch von unmittelbar davor liegenden engen Terminen belastet war, eine Fidelio-Aufführungsserie in London musste beispielsweise zum Teil abgesagt werden – der Kaufmann, den wir hier hören, schleppt noch deutlich Altlasten mit.

Liszt fordert vom Sänger viel, an der verlangten Kraft und Größe der Stimme fehlt es Kaufmann auch nicht. Aber auch für Liszt bringt Kaufmann  eine Reihe seiner sängerischen Unarten mit, wie das Pressen mancher Töne in exponierten Lagen, schlecht verblendete Registerwechsel und eine Überbetonung mancher Textpassagen. Was darüber hinaus stört, ist eine auffällige Trockenheit der Stimme, sie wirkt ein wenig strohig und kehlig. Heldentenor-Partien und Liedgesang, das geht nicht wirklich gut zusammen.

Problematisch gleich das erste Lied der CD „Vergiftet sind meine Lieder“ mit hartem, spröden Ansatz. Kaufmann ist hier ganz Heldentenor, was den intimen Rahmen sprengt.

„Freudvoll und leidvoll“, gleich in zwei Versionen eingespielt, gibt dem Sänger erneut Gelegenheit, schweres stimmliches Geschütz aufzufahren. Die Tendenz, die Gesangslinie opernhaft zu übersteigern, setzt sich im gesamten Programm fort. Man gewinnt den Eindruck, Kaufmann könne seine Stimme nicht mehr in das kleinere Format zwingen.

Die „Loreley“ singt er fast durchgängig im Piano, falsettiert sogar einige Töne, um am Ende zum Forte zurückzukehren, wobei offenkundig wird, dass dem Tenor die gesunde Mitte seiner Stimme nicht mehr ganz gehorcht.

Auch die „Drei Zigeuner“ sind ein Lied mit starken Kontrasten, die Kaufmann schroff und ein wenig zu laut umsetzt.

Am wenigsten gefallen können die drei Sonette auf Texte Petrarcas, die für Kaufmanns Stimme unbequem zu liegen scheinen, mit denen er sich ein wenig quält. Da werden Töne hochgezogen und etwas geschmäcklerisch phrasiert, wobei der Eindruck einer gewissen stimmlichen Erschöpfung nicht zu überhören ist .

Im „Fichtenbaum“ liegen wieder gequetschte Töne und donnerndes Forte im Wettstreit. Kaufmann fehlt inzwischen die Geschmeidigkeit der Stimme, um solche Kontraste auszugleichen.

Am deutlichsten werden die Defizite im längsten Lied der CD  „Ich möchte hingehn“ . Da klingt die Stimme angestrengt und wird zu aggressiv eingesetzt.

Liszts Lieder mögen ihre Meriten haben, aber man wird das Gefühl nicht los, hier mehr einer akademischen Veranstaltung beizuwohnen, als einem freudvollen Liedgesang. Vielleicht ist Kaufmanns Stimme dem Liedgesang auch entwachsen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war sie jedenfalls in keiner guten Verfassung.

Die CD mag eine Lücke in der Liszt-Discographie schließen, der Lustgewinn hält sich dafür in engen Grenzen.

Liszt
Freudvoll und leidvoll
Jonas Kaufmann & Helmut Deutsch

Sony 19439892602

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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