Eva Gesine Baur scheitert mit ihrer großen Maria-Callas-Biographie

Eva Gesine Baur scheitert mit ihrer großen Maria-Callas-Biographie

Der bevorstehende 100. Geburtstag von Maria Callas wirft seine Schatten voraus, das Buch von Baur wird wohl nicht das einzige bleiben, das sich an der umstrittenen Jahrhundertsängerin abarbeitet.

Schon auf dem Titelbild wird die Diskrepanz sichtbar, die auf fast 500 Seiten nicht ausgeräumt wird. Das plakative „Stimme der Leidenschaft“ weist in Richtung eines Romans, „Eine Biographie“ dagegen eher auf eine solche, die ausschließlich faktenorientiert ist. Die Autorin hat zweifellos ihre Hausaufgaben gemacht und sich umfassend mit der schier unüberschaubaren Callas-Literatur beschäftigt. Wählerisch war sie dabei nicht, allzu viele unseriöse Quellen fließen mit ein und rücken das Buch zumindest streckenweise in die Klatsch- und Tratsch-Ecke. Speziell im letzten Drittel verschwindet der Mensch und die Künstlerin Callas beinahe hinter der von der Presse geschaffenen öffentlichen Person.

Maria Callas, die bereits in ihrem 54. Lebensjahr starb, war mit Sicherheit ein zerrissener, disharmonischer Mensch, das scheinen alle bekannten Fakten zu beweisen. Baur leuchtet die frühen Jahre der Sängerin, anschließend an die Rückkehr nach Griechenland akribisch aus, bringt viele Details ans Licht. Dass dabei häufig erwähnt wird, was Maria dachte, oder was sie in Vier-Augen-Gesprächen sagte, irritiert doch etwas. Diese Eigenheit zieht sich durch das gesamte Manuskript und wirkt in ihrer Häufigkeit doch störend.

Baur bewegt sich zu häufig im Spekulativen, die gesamte Schilderung der Ehe der Callas mit Giovanni Battista Meneghini ersetzt die in diesem Fall fehlenden Fakten durch Spekulationen. Auch die Chronologie von Callas’ Beziehung zu Aristoteles Onassis scheint komplett den Archiven der Klatschpresse zu entstammen.

Es wäre ehrlicher gewesen, einen Callas-Roman zu schreiben, das hätte die Autorin aber dazu gezwungen, den Charakter ihrer Figur zu analysieren. Eine solche Analyse bleibt sie als Biographin aber schuldig. Man erfährt viel über Auftritte der Callas, über ihre Rollen und ihre umfangreiche Aufnahmetätigkeit. Eine konkrete Würdigung von Callas’ Stimme fehlt aber. Eine Stimme der Leidenschaft, Punkt.

Auffällig sind auch eine ganze Reihe von kleinen, aber ärgerlichen Fehlern. Bellinis Oper „Norma“ hat nur zwei, nicht vier Akte. Die erste Vinyl-Aufnahme der „Tosca“ erschien auf zwei, nicht auf drei Langspielplatten. Der berühmte Wagner-Tenor hieß Lauritz, nicht Mauritz Melchior, die Oscar-Preisträgerin Susan Hayward, nicht Howard. Die dreimaligen „Mario“-Rufe der Tosca finden sich im ersten, nicht im dritten Akt der Oper. Das mag kleinlich klingen, aber es erschüttert das Vertrauen in die Recherche allgemein. Einem aufmerksamen Lektor hätten sie ebenfalls nicht entgehen sollen.

Seltsam, nach der streckenweise ermüdenden Lektüre der 500 Seiten hat man viele Details erfahren, ein abgerundetes Bild der Persönlichkeit von Maria Callas aber nicht.

Eva Gesine Baur

Maria Callas
Die Stimme der Leidenschaft

Eine Biographie

C.H. Beck

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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