„Eugen Onegin“ aus Glyndebourne inszeniert ohne große Verfremdungen und Umdeutungen

„Eugen Onegin“ aus Glyndebourne inszeniert ohne große Verfremdungen und Umdeutungen

Diese Aufführung wurde bereits im Jahr 1994 im Theater von Glyndebourne mitgeschnitten, was die etwas verschwommene Bildqualität erklärt.

Über den späten Zeitpunkt der Wiederveröffentlichung kann man nur spekulieren, er mag aber dem Andenken des 1921 an einer Covid-Infektion verstorbenen Regisseurs Graham Vick geschuldet sein. Vick, der seinen Stil in seinen letzten Jahren in Richtung zeitgenössischer Theaterästhetik veränderte, hatte davor zu Recht viel beachtete Inszenierungen weltweit geschaffen.

In diesem „Eugen Onegin“ von 1994 kann man seine Stärken eindrucksvoll erkennen. In den entscheidenden Szenen zwischen Onegin und Tatyana genügen ihm zwei Stühle auf der Bühne, deren Stellung zueinander viel über die Situation der beiden Protagonisten verrät. Der absolute Höhepunkt der Aufführung ist aber die Ballszene im zweiten Akt, die ein Meisterstück fließender Bewegung und geschickter Choreographie darstellt. Erstaunlich genug, dass ihm die Ballszene des letzten Aktes dagegen deutlich misslingt.

Ein wenig steif bleiben die Sänger, aber auch das mag beabsichtigt sein, handelt es sich doch bei den Hauptfiguren um etwas unsichere, sogar verklemmte Menschen. Elena Prokina kann als schwermütige Tatyana überzeugen, legt die Rolle aber sehr introvertiert an. Ihre Schwester Olga findet in Louise Winter ein extrovertiertes Gegenstück. Elegisch, mit schöner Kantilene der Lensky von Martin Thompson, leicht blasiert und stimmlich ein wenig unauffällig der Onegin von Wojcech Drabowicz, der absolut kein Sympathieträger ist. Markant treffen John Fryatt als Monsieur Triquet, Frode Olsen als Fürst Gremin und vor allem Yvonne Minton als noch jugendliche Larina den Ton ihrer Rollen.

Das London Philharmonic Orchestra unter Andrew Davis ist eine sichere Bank, die Sänger und der Chor haben dadurch eine solide Basis, auf der sie sich entfalten können. Richard Hudson schuf die minimalistischen, sehr stimmig reduzierten Bühnenbilder. Ein wenig sind solche Produktionen auch eine erfreuliche Erinnerung an eine Zeit, als man Opern noch ohne große Verfremdungen und Umdeutungen inszenierte.

Tchaikovsky
Eugen Onegin

London Philharmonic Orchestra
Andrew Davis

Opus Arte   OA 1374D

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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