Im Rahmen einer zum Staatsakt erhobenen Gedenkfeier für Franz Beckenbauer in der Münchner Allianz Arena am 19. Januar 2024, wurde vom Veranstalter, dem FC Bayern München, nicht nur der Bundespräsident, der Bundeskanzler und die Innenministerin eingeflogen, auch die musikalische Umrahmung sollte dem reichsten Fußballclub der Nation entsprechend ausfallen.
Was lag also näher, als den berühmtesten Tenor des Landes zu engagieren, der ja wie Beckenbauer echter Münchner ist: Jonas Kaufmann. Gemeinsam hat er mit Beckenbauer auch den Wohnsitz Salzburg, ist inzwischen sogar österreichischer Staatsbürger. Wer aber deutsches Liedgut erwartet hat, wurde mit drei italienisch gesungenen Stücken völlig unterschiedlicher Art überrascht: „Con te partirò“, eine bevozugt bei Trauerfeiern erklingende Schnulze, ein Filmschlager von Ennio Morricone und schließlich die Arie „Nessun dorma“ aus Puccinis „Turandot“, mit der einst der unvergessene Luciano Pavarotti ganze Fußballstadien rockte.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten, aber als unser Leser Kurt Eichhorn den Kommentar „Hochnotpeinlicher Auftritt! Jonas Kaufmann hat seine Lippen nicht zum Vollplayback synchronisiert bekommen. Die Bildregie hat das bemerkt und zunehmend auf Stadionvollbildeinstellungen umgeschaltet“ postete, wurde ich mißtrauisch.
Vielleicht ist es ja nur ein Zufall, aber bei youtube kann man eine Aufnahme des ersten Liedes mit Kaufmann abrufen, die mit dem Auftritt in der Arena so deckungsgleich ist, dass man ins Nachdenken kommt.
Ein ebensolcher Zufall ist es vielleicht, dass sich der Morricone-Schlager auch auf Kaufmanns „Sound of Movie“-CD findet, und zwar mit identischer Orchesterbegleitung. Wahrscheinlich ist es auch reiner Zufall, dass als letzter Titel eine Arie aus Kaufmanns jüngster Opernaufnahme erklang. In der Allianz Arena war dabei von einem Orchester und dem kurz erklingenden Chor in der Arie nichts zu sehen.
Wenn man sich die Mühe macht, und die Übertragung der Gedenkfeier in der Mediathek noch einmal ansieht, so sind Musik und Kaufmanns Lippenbewegungen tatsächlich sehr schlecht synchronisiert. Es mag natürlich sein, dass eine ganz natürliche akustische Verzögerung der Grund dafür ist, aber man wird den Zweifel an der Authentizität von Kaufmanns Auftritt einfach nicht mehr los.
Kann es tatsächlich sein, dass ein Künstler vom Rang eines Jonas Kaufmann seinen Ruf mit einem Fake-Auftritt vor einem Millionen-Publikum aufs Spiel setzt? Der wird es doch nicht ernsthaft nötig haben, zu Auskoppelungen aus aktuellen Plattenaufnahmen nur die Lippen zu bewegen? Oder doch?
Foto: © Gregor Hohenberg / Sony Classical
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de