Ein Russischer Abend in der Berliner Waldbühne: Kunst versus Zeitgeist

Ein Russischer Abend in der Berliner Waldbühne: Kunst versus Zeitgeist

In den gegenwärtigen Zeiten, in denen der aktuelle Konflikt mit dem Despoten im Kreml wenig russland-freundliche Stimmung aufkommen lässt, setzt dieses erste Waldbühnen-Konzert Kirill Petrenkos ein bewusstes Zeichen. Die Fülle der russischen Kultur, speziell auf dem Gebiet der Musik, hat nichts, aber auch gar nichts mit jenem Mann und seinem Regime zu tun, das die Welt gerade empört.

Kirill Petrenko findet in seinem ersten Waldbühnen-Konzert zu einer klugen Ausgewogenheit des Programms. Die über 20.000 Besucher wollen schließlich auch Populäres hören, aber für Wunschkonzert-Niveau stehen dieses Orchester und ihr charismatischer Chef nicht zur Verfügung.

Zu Beginn erklingt mit Anatoli Ljadows Legende für Orchester „Kikimora“ ein weithin unbekanntes Stück, das aber originell orchestriert ist und als Einstimmung für das Publikum bestens geeignet.

Hauptwerk des Abends ist Sergej Rachmaninows zweites Klavierkonzert in c-Moll. Für den erkrankten Star-Pianisten Daniil Trifonov fand man in Kirill Gerstein einen durchaus ebenbürtigen Ersatz. Der Zufall wollte es, dass Gerstein vor Jahren sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern mit eben diesem Klavierkonzert gab. Das spätromantische, schon auf die Moderne weisende Werk ist ein wunderbares Vehikel für große Pianisten. Rachmaninow hat für sich selbst und seine späteren Interpreten einen hohen Schwierigkeitsgrad gesetzt, Gerstein gewinnt mit Souveränität und großer Virtuosität sofort die Herzen des Berliner Publikums, spätestens nach der Zugabe von Fritz Kreislers „Liebesleid“ in der Bearbeitung Rachmaninows wird er zu Recht umjubelt.

Letzter offizieller Programmpunkt sind die „Bilder einer Ausstellung“, eine Reihe musikalischer Miniaturen, die Modest Mussorgsky 1874 für Klavier komponierte, die ihre eigentliche Popularität aber erst in der 1922 entstandenen Orchesterfassung von Maurice Ravel erlangten. Das Werk gab Petrenko und seinen Spitzenmusikern reichlich Gelegenheit ihre Brillanz zu beweisen, ein wahres Feuerwerk riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Der letzte, prunkvolle Abschnitt des Werkes trägt die Bezeichnung „Das große Tor von Kiew“, da will man nicht mehr an einen Zufall denken. So kann eben auch Musikauswahl politisch motiviert sein.

Als Zugabe gibt es eine kleine Portion Tchaikowsky, eine Passage aus dem „Nussknacker“ rundet diesen stimmungsvollen, gelungenen Konzertabend ab, ehe die obligatorische letzte Zugabe, die „Berliner Luft“ erklingt. Kirill Petrenko huldigt bestens gelaunt dieser Berliner Tradition.

Ein tief befriedigtes Publikum spendet langen, herzlichen Applaus, ehe es sich auf den ortsbedingt mühevollen Heimweg macht.

Waldbühne Berlin, Foto: © Monika Rittershaus

Waldbühne Berlin, 25. Juni 2022

Anatoli Ljadow
Kikimara op.33

Sergej Rachmaninow
Konzert für Klavier und Orchester Nr.2 op.18

Modest Mussorgsky
Bilder einer Ausstellung

In der Orchestrierung Maurice Ravels

Berliner Philharmoniker
Kirill Gerstein,  Klavier
Kirill Petrenko,  Dirigent

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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