Ein martialischer „Parsifal“ aus Palermo

Ein martialischer „Parsifal“ aus Palermo

Das traditionsreiche Teatro Massimo in Palermo wagte 2020 eine neue Parsifal-Produktion, bestens geeignet, um den neuen Musikdirektor des Hauses, den bereits international erfolgreichen israelischen Dirigenten Omer Meir Welber, zu inthronisieren. Als Regisseur gewann man den erfahrenen Briten Graham Vick, der noch nicht wissen konnte, dass dies seine letzte große Regiearbeit werden sollte. Vick verstarb im Juli 2021 an den Folgen von Covid 19.

Seine Version des „Parsifal“ ist eine nüchterne, optisch stark reduzierte, die sich zum größten Teil äußerst martialisch gibt, so viel Uniformen und Maschinengewehre hat man selten auf der Opernbühne gesehen. Dabei bleibt weitgehend offen, welchen Krieg der Regisseur hier eigentlich thematisieren will. Man denkt immer wieder an den Konflikt zwischen Israelis und Arabern, was aber im Kontext dieser Wagner-Oper wenig Sinn macht. Vereinzelt ergeben sich durchaus starke Bilder mit Symbolcharakter, aber über weite Strecken verliert sich Vick in sehr vordergründiger Symbolik.

Dass beispielsweise dem leidenden Amfortas eine Dornenkrone verpasst wird, bringt  die christliche Ikonographie ziemlich durcheinander. Die Figur des Parsifal wird am Ende zum perfekten Gutmenschen, Männer, Frauen und Kinder aller nur erdenklichen Ethnien verbrüdern sich und sorgen für eine kräftige Portion Ethno-Kitsch. Hinter einem transparenten Vorhang werden wir durch Schattenrisse immer wieder Zeuge brutaler Szenen wie Mord und Vergewaltigung, ein rechter Bezug dazu lässt sich in der Handlung nicht ausmachen. Vick bewegt sich so in einer Tradition der modernen Musiktheater-Ästhetik: viele verwirrende und provozierende Bilder, egal ob sie Sinn machen oder nicht.

Musikalisch fiel dieser Parsifal erheblich stimmiger und interessanter aus. Meir Welber, inzwischen ein gesuchter Dirigent weltweit, entlockt seinem italienischen Orchester durchaus authentischen Wagner-Klang, auch die Chöre des Teatro Massimo lassen keinen Wunsch offen.

Die Besetzung mit ausnahmslos nicht Deutschen Sängern könnte problematisch sein, auf Grund der äußerst konzentriert agierenden Solisten bleiben die idiomatischen Defizite aber gering. Lediglich der Titurel von Alexei Tanovitski gibt mit rauer, belegter Stimme unverständliches Kauderwelsch von sich. Tómas Tómasson berührt als ausdrucksvoll leidender Amfortas, der seinen trainierten, weitgehend nackten Körper wirkungsvoll einsetzt. Ein wenig spröde klingt der Klingsor von Thomas Gazheli, der nicht nur Schwierigkeiten mit dem Text hat, darüber hinaus auch noch mit heruntergelassenen Hosen singen muss, was den Blick auf blutbefleckte Unterwäsche frei gibt. Ach ja, Selbst-Kastration, plumper geht es nicht.

Größten Respekt verdient die Leistung von John Relyea als Gurnemanz. Der kanadische Bassbariton bewältigt diese text-lastige Partie idiomatisch erstaunlich korrekt, gibt seiner Rolle darüber hinaus sehr menschliche, charismatische Züge.

Eine fulminante Kundry wuchtet Catherine Hunold auf die Bühne, ihr großer, facettenreicher Sopran von großer dramatischer Durchschlagskraft ist wie geschaffen für die extremen stimmlichen Anforderungen dieser Partie.

Der britische Tenor Julian Hubbard kommt ebenfalls gut mit dem uferlosen deutschen Text zurecht und stattet die Titelrolle mit kräftigem, kernigem Tenor aus, er empfiehlt sich durchaus für weitere Wagner-Partien.

Insgesamt ist dieser Parsifal musikalisch erfrischend „undeutsch“, Palermo ist eben doch sehr, sehr weit von Bayreuth entfernt, was kein Schaden sein muss. Man kann sich von Omer Meir Welber an diesem Haus sicher noch mehr Wagner erwarten – und wünschen.

Richard Wagner
Parsifal

Orchestra del Teatro Massimo
Coro del Teatro Massimo
Omer Meir Welber   Dirigent
Graham Vick   Regie

Unitel c major 759404

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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