DVD-Rezension: In Schönheit sterben-Gounods Faust in London

DVD-Rezension: In Schönheit sterben-Gounods Faust in London

Der Zufall wollte es, dass fast zeitgleich mit dem Erscheinen dieser DVD zwei neue Faust-Inszenierungen an großen Opernhäusern herauskamen. Paris hatte den Shooting-Regiestar Tobias Kratzer verpflichtet, der seit seinem Erfolg mit dem Tannhäuser in Bayreuth 2019 hoch gehandelt wird. Die Wiener Staatsoper dagegen kaufte die schon längere Zeit in Stuttgart laufende Inszenierung Frank Castorfs (lesen Sie bitte unten) ein.

Da ist die neu einstudierte, aber schon ältere Inszenierung der Londoner Oper doch von sehr verschiedener Art. Der Schotte David McVicar hatte sie 2004 in Covent Garden herausgebracht, neu einstudiert und in neuer Besetzung erlebte sie 2020 ein Revival. So konventionell der Charakter dieser Produktion auch ist, als verstaubt möchte man sie wirklich nicht bezeichnen. McVicar hat ein stimmiges Konzept für das ihm Charles Edwards stimmungsvolle Bühnenbilder und Brigitte Reifenstuel elegante Kostüme beigesteuert haben. Es ist wohltuend, ein Werk wie Faust einmal wieder befreit von Verfremdungen und Umdeutungen erleben zu können.

Dabei mischt der Regisseur die Szene ganz schön auf, die Choreographie von Michael Keegan-Dolan ist pointiert und wird virtuos ausgeführt. Im finalen fünften Akt erleben wir ein Handlungsballett, das Marguerites und Valentins Unglück tänzerisch und pantomimisch wiedergibt. Dadurch gerät der Akt aber insgesamt ein bisschen zu lang, die Proportionen verschieben sich zu sehr zu Gunsten des Schlussaktes. Dabei bekommen wir zur Walpurgisnacht aber viel Originelles geboten, so z.B. Mephisto in Abendrobe mit Diadem.

In dieser Produktion liegt der Fokus eindeutig  auf der teuflischen Figur. Erwin Schrott leiht ihm seinen sehr geschmeidigen, farbenreichen Bass und bietet ein wahres Feuerwerk vokaler Rafinessen. Der Titelheld Faust, von Michael Fabiano gesungen, ist ihm ein ebenbürtiger Gegenspieler. Sein kräftiger Tenor, mit schönem Timbre ausgestattet, hat sich endgültig zum Spinto entwickelt und gibt seiner Figur stimmliches wie darstellerisches Gewicht. Den gefürchteten Spitzenton seiner Arie singt er im Falsett, aber grandios sicher.

Irina Lungu, die moldawische Sopranistin ist Marguerite. Sie kann im Spiel durchaus überzeugen, ihr kräftiger, etwas körniger Sopran kommt mit der Rolle gut zurecht, nur gegen Ende und im Finale scheint die Sängerin an ihre Grenzen zu kommen. Insgesamt aber eine ansprechende Leistung. Mit baritonalem Wohlklang erfreut Stephane Degout als Valentin, Marta Fontanals-Simmons gibt einen stimmlich sicheren, jugendfrischen Siebel, Carole Wilson gibt eine üppige, herbe Marthe Schwertlein. Insgesamt kann man die Sängerbesetzung als sehr ausgewogen bezeichnen.

Dan Ettinger bringt Frische und Temperament für diese Oper mit, sein Dirigat ist straff, lässt aber auch den lyrischen Passagen des Werkes genügend Raum zur Entfaltung. Orchester, Chor und Ballett des königlichen Opernhauses präsentieren sich auf gewohnt hohem Niveau. Eine absolut sehens- und hörenswerte Aufführung!

Charles Gounod
Faust
Royal Opera House London
Opus Arte  0A1330D

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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