Diesem „Boris Godunow“ fehlen gleich mehrere Stimmfarben

Diesem „Boris Godunow“ fehlen gleich mehrere Stimmfarben

Mussorgskys Musikdrama um den unglücklichen Zaren Boris Godunow, der getrieben von seiner Schuld schließlich dem Wahnsinn verfällt, ist seit seiner Uraufführung weltweit auf allen Opernspielplänen immer wieder zu erleben.

Der Komponist hat sein Werk allerdings mehrfach ergänzt und umgearbeitet, so dass man die Oper in sehr verschiedenen Versionen hören kann. In den letzten Jahrzehnten ist man bedauerlicherweise dazu übergegangen, die aus sieben Szenen bestehende, gerade einmal zwei Stunden dauernde Urfassung aufzuführen.

Das bekommt dem Werk nicht gut, man vermisst doch sehr die musikalische Opulenz speziell des Polen-Aktes. Die Figur der machthungrigen Marina beschert der Oper eine weibliche Negativ-Heldin, in der Ur-Fassung sind als Frauen lediglich die derbe Schankwirtin und Zarentochter Xenia und deren Amme auf der Bühne. Auch den falschen Dmitri bekommt man nur sehr eingeschränkt zu hören, die schönsten Teile seiner Rolle sind gestrichen.

Das Londoner Opernhaus Covent Garden greift für seine Produktion von 2016 ebenfalls auf die karge Urfassung zurück. Der Regisseur Richard Jones lässt die komprimierte Handlung in eher simplen Dekors spielen, etwas nervig der mehrfach im Hintergrund zu sehende Mord am Zarewitsch, womit Boris‘ Obsession erklärt wird. Die Dominanz der Bass-Stimmen führt zu einer gewissen Monotonie, so hervorragend sie auch singen. Der Warlaam von John Tomlinson ist ein polterndes Kabinettstück, konterkariert durch den klugen Geschichtsschreiber Pimen von Ain Anger. Grigory wird von David Butt Philip mit frischem Tenor verkörpert, seine Transformation zum falschen Dmitri findet in dieser Aufführung allerdings nicht statt. Der düstere Schuisky wird von John Graham-Hall ein wenig eindimensional angelegt.

So ruht die Hauptlast der Aufführung auf den breiten Schultern von Bryn Terfel, der seiner Aufgabe bis in die Facetten dieses düsteren Charakters wunderbar gerecht wird. Er hat das nötige künstlerische Format und Charisma, um das Stück zu tragen, das in seiner reduzierten Fassung noch stärker auf die Hauptfigur fokussiert.

Eine wesentliche Rolle kommt in dieser Oper auch dem Chor zu, der das geknechtete russische Volk symbolisiert. Einstudiert von Renato Balsadonna bewältigt der Chor des Opernhauses diese Aufgabe eindrucksvoll. Am Pult waltet der in allen Stilen gleichermaßen kompetente Antonio Pappano . Dass die Aufführung ein wenig eindimensional bleibt, ist nicht seine Schuld.

Mussorgsky
Boris Godunow

Orchestra and Chorus of the Royal Opera House
Antonio Pappano

Opus Arte OABD7314D

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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