Größer kann ein Kontrast nicht sein, als jener zwischen den beiden an diesem Abend aufgeführten Musikstücken. Das ambitionierte romantische Klavierkonzert des Teenagers Clara Wieck, komponiert noch ehe sie Robert Schumanns Frau wurde, und die erschütternde 7. Symphonie von Schostakowitsch, geschrieben im belagerten Leningrad unter ständiger Angst um Leib und Leben.
Das Klavierkonzert, entstanden zwischen dem 13. und 16. Lebensjahr der jugendlichen Klaviervirtuosin, macht vor allem den hohen Anspruch Claras an sich selbst erkennbar. Sie komponierte für sich ein Virtuosenstück, in dem das Orchester eine eher begleitende Funktion hat. Bei der Gestaltung des Orchesterparts soll ihr der spätere Ehemann Robert behilflich gewesen sein. Im anspruchsvollen Solopart kann man die pianistische Reife des jungen Mädchens erahnen. Uraufgeführt wurde das Konzert im Leipziger Gewandhaus, Dirigent war Felix Mendelssohn, Clara selbst die Solistin.
Es ist nicht zwingend, aber doch sehr passend, das Konzert aktuell auch mit einer Frau am Klavier aufzuführen. Die italienische Pianistin Beatrice Rana trifft genau den romantisch-schwärmerischen Ton des Werkes und demonstriert gekonnt pianistisches Belcanto. Unterstützt vom bestens disponierten Orchester unter der Leitung des Frankokanadiers Nézet-Séguin gelingt ihr eine beschwingte, energische Interpretation.
Beatrice Rana wird danach vom Publikum frenetisch gefeiert, zu Recht.
Beatrice Rana © Marie Staggat
Schostakowitsch’ erschütternde 7. Symphonie bedeutete seinerzeit den internationalen Durchbruch für den Komponisten, die Berliner Philharmoniker führten sie erstmals bereits 1946 unter Sergiu Celibidache auf.
Entstanden 1941 in der abgeriegelten Stadt Leningrad ist das viersätzige Werk zugleich Ausdruck der Bedrohung durch den Feind und des ungebrochenen Überlebenswillens der Bevölkerung.
Den großen, wuchtigen Steigerungen des ersten Satzes stellt er in den Binnensätzen den Überlebenswillen des gequälten Volkes dar, der finale Satz soll als Apotheose des Sieges verstanden werden. Hier setzt der Komponist erneut die geballte Wucht des groß besetzten Orchesters ein.
Yannick Nézet-Séguin wirft sich förmlich in die Klangwogen, lässt sich von der gewaltigen Musik tragen, ist aber gleichzeitig sehr genau in seiner Zeichengebung und verliert nie den Überblick über die Struktur des herausfordernden Werkes.
In diesen durch Kriege bedrohten Zeiten ist das Publikum, wie die Ausführenden, für die Aussage des Werkes zusätzlich sensibilisiert und verfolgt die etwa 70-minütige Aufführung mit wacher Konzentration. Am Ende große Begeisterung und Jubel für ein intensives musikalisches Erlebnis auf allerhöchstem Niveau.
Clara Schumann
Konzert für Klavier und Orchester
Dmitri Schostakowitsch
Symphonie Nr. 7 „Leningrader“
Beatrice Rana Klavier
Yannick Nézet-Séguin, Dirigent
Berliner Philharmoniker
Philharmonie Berlin, 23. Mai 2024
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de