Die Intermezzi sind das Beste an Richard Strauss’ Oper „Intermezzo“

Die Intermezzi sind das Beste an Richard Strauss’ Oper „Intermezzo“

Die Oper „Intermezzo“ nimmt unter den Bühnenwerken von Richard Strauss einen besonderen Platz ein. Der Komponist machte darin sich selbst und seine stürmische Ehe mit der Sängerin Pauline de Ahna zum Thema, konsequenterweise verfasste er auch selbst das Libretto zu dieser ungewöhnlichen Selbstbespiegelung.

Für die Dresdner Uraufführung 1924 wählte man bewusst nicht die Semperoper, sondern das kleinere und intimere Schauspielhaus. Dass dies eine kluge Entscheidung war, konnte man bei der gestrigen Premiere der Oper im großen Haus der Deutschen Oper feststellen, in der das intime Werk anfangs zu verpuffen schien. Aber der Reihe nach!

Was Tobias Kratzer, den derzeitigen Liebling der Opernintendanten, bewogen hat, ausgerechnet diese Oper von Strauss zu inszenieren, ist nur bedingt nachvollziehbar. Reflexartig beschreitet er den Irrweg, die Lebenswelt einer großbürgerlichen Berühmtheit der 1920er Jahre im Still der 2020er Jahre zu erzählen. Wurde für die Dresdner Uraufführung noch das Innere der Villa Strauss nachgebaut, lässt Kratzer bewusst auf fast leerer Bühne spielen und reduziert so das Werk auf seinen Kern. Leider hat ihm Rainer Sellmaier nur ein paar wenige, hässliche Möbel auf die Bühne gestellt, die von der Opulenz der Strauss’schen Einrichtung Lichtjahre entfernt sind. Also beginnt die Aufführung in einer betont nüchternen und banalen Atmosphäre.

Die Dimensionen des großen Saales der Deutschen Oper sind für das dialoglastige Stück nicht optimal, es dauert ein paar Minuten, bis man die Konzentration auf den gesungenen Text herstellen kann. In diesem Fall nimmt man auch gerne die Übertitelungsanlage zu Hilfe.

Zunächst geht es auf der Bühne recht konventionell zu, bis die permanent plappernde Gattin des Kapellmeisters beim Flirt mit dem Nichtsnutz Baron Lummer plötzlich beginnt, Kostüme für verschiede Strauss-Opern von einem Kleiderständer zu nehmen, und sich und Lummer erst in Octavian und Marschallin, danach in Salome und Jochanaan zu verkleiden. Das geschieht ohne Bezug auf den Text, ist aber ein blendender Einfall und ein ausgesprochen poetischer Moment. Dass Kratzer zuvor Christine und Lummer eine Bettszene verordnet, ist aber allzu plump und auch gegen den Stil des Stückes.

Als Christine später als Elektra verkleidet mit einem Beil in das Büro des Notars stürmt, markiert dies leider den Punkt, wo Kratzer vom subtilen Humor in den Schenkelklopf-Modus umkippt. Für die Schlussszene hat er allerdings wieder einen guten Einfall: die letzten Passagen ihrer Rolle singt Christine bereits aus der fertigen Partitur der autobiographischen Oper, im Hintergrund dirigiert der Hofkapellmeister die Musik.

Strauss verbindet die insgesamt 13 Szenen der Oper durch symphonische Zwischenspiele, die gelungene kleine Miniaturen sind, die öfter als das gesamte Werk in Konzerten gespielt werden. Der Komponist erweist sich darin einmal mehr als Meister der pointierten Instrumentation. Die Idee, Dirigent und Orchester während dieser Intermezzi im Video zu zeigen, ist originell und macht Sinn: das Publikum müsste sonst alternativ längere Zeit auf den geschlossenen Vorhang blicken. So kann man auch wieder einmal Donald Runnicles in Aktion sehen, der sich am Haus lange auffällig rar gemacht hat. Als kleiner Gag steht bei einem der Zwischenspiele plötzlich Philipp Jekal, der Hauptdarsteller am Pult.

Der Glücksfall der Aufführung ist das spielfreudige Ensemble, allen voran die wunderbare Maria Bengtsson, die nicht nur das Geplapper ihrer Partie glaubwürdig umsetzt, sondern auch die in der Partitur versteckten kleinen Kantilenen mit blühendem Strauss-Timbre erklingen lässt. Kreiert hat die Rolle in Dresden seinerzeit übrigens Lotte Lehmann. Ihr ebenbürtig der ganz auf Nonchalance setzende Philipp Jekal als zu Unrecht verdächtigter Ehemann. Thomas Blondelle bleibt als Baron Lummer ein wenig blass, aber die mediokre Figur gibt vielleicht auch nicht mehr her. Eine unerwartete Begegnung hat man mit Nadine Secunde als Gattin des Notars. Die einstige Hochdramatische kann wohl von der Bühnenluft nicht lassen.

Auch in den kleinen Rollen wurde gut besetzt, die Deutsche Oper demonstriert wieder einmal die Stärke ihres Ensembles. Der offenbar gut gelaunte Donald Runnicles führt mit dem ebenfalls gut disponierten Orchester dieses selten gespielte Werk zum Erfolg. Am Ende satter Applaus für tatsächlich Alle. Der Regisseur Kratzer hat diese Oper erfolgreich wiederbelebt, schoss aber leider teilweise über das Ziel hinaus. Weniger wäre manchmal mehr…

Richard Strauss
Intermezzo
Oper in zwei Akten. Text vom Komponisten

Hofkapellmeister Storch  Philipp Jekal
Christine  Maria Bengtsson
Baron Lummer  Thomas Blondelle
Notar  Markus Brück
Frau des Notars  Nadine Secunde

Inszenierung  Tobias Kratzer
Dirigent  Sir Donald Runnicles

Deutsche Oper Berlin, Premiere am 25. April 2024

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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