Deutsche Oper navigiert auf Sicht: Wenig Prickelndes für 2020/21

Überschattet von der Verunsicherung durch das Corona-Virus findet an diesem trüben Vormittag die Jahrespressekonferenz der Deutschen Oper statt. Den wenigen erschienenen Journalisten verkünden Intendant Dietmar Schwarz und GMD Donald Runnicles ihre Pläne für die nächste Spielzeit. Große Überraschungen gab es dabei nicht, Premieren und Repertoire-Besetzungen bleiben im erwartbaren Bereich.

Der noch in der laufenden Spielzeit mit dem Rheingold beginnende neue Ring des Nibelungen, inszeniert von Stefan Herheim, strapaziert logischerweise sämtliche Ressourcen des Hauses, Walküre und Siegfried haben im September 2020 bzw. im Januar 2021 Premiere. Bei der Besetzung ist man stolz darauf, Nina Stemme als Brünnhilde gewonnen zu haben. Da sich die Sängerin inzwischen doch recht deutlich im Herbst ihrer Karriere befindet, vielleicht keine unbedingt weise Entscheidung. Solide aber glanzlos erscheint die Besetzung beider Siegfriede mit dem verlässlichen Simon O’Neill. Mit Lise Davidsen als Sieglinde hat man sich sehr viel mehr der Zukunft versichert. Dass der Wotan dreigeteilt wird, entspricht ein wenig dem Internationalen Trend, große Wagner-Stimmen sind dünn gesät.

Der Jahresregent  Beethoven wird wenig überraschend mit einem neuen Fidelio bedient. Eine gute Entscheidung für das Repertoire, man muss abwarten, was der Regisseur David Hermann, der am Haus zuletzt Janaceks Sache Makropulos verunstaltete, mit diesem Klassiker anstellen wird. Konzertant gibt es zusätzlich die Urfassung von 1805 beim Musikfest Berlin.

Bachs Matthäus-Passion, nicht unbedingt  als Oper bekannt, wird von Alessandro de Marchi musikalisch, von Benedikt von Peter szenisch betreut. Ersteres lässt hoffen, Letzteres fürchten.

Neben so viel geballtem Deutschen gibt es noch drei weitere Premieren. Ein neuer Simone Boccanegra zur Ergänzung des Verdi-Repertoires wird von Vasily Barkhatov inszeniert, Jader Bignamini dirigiert, George Petean wird als Boccanegra zu hören sein.

Als Koproduktion mit der Bayerischen Staatsoper München eröffnet im August das Opernprojekt 7 Deaths of Maria Callas von Marina Abramovic die Spielzeit. Man darf auf dieses Pasticcio aus alt und neu  gespannt sein.

Die einzige echte Überraschung bietet Zandonais Verismo-Oper Francesca da Rimini, in der Vergangenheit als perfektes Primadonnen-Vehikel viel gespielt. Sara Jakubiak übernimmt diese dankbare Rolle, inszenieren wird der „Hausregisseur“ Christof Loy.

Konzertant gibt es am Haus diesmal nur eine Lakme, dirigiert vom hier inzwischen unverzichtbaren Enrique Mazzola mit Julie Devos und Javier Camarena.

Die Tischlerei ist als zweite Spielstätte des Hauses inzwischen fest und erfolgreich etabliert und wird in der kommenden Spielzeit auch wieder mit eigenen und Koproduktionen aufwarten.

Die geplanten drei Auftritte Placido Domingos als Posa, die noch im Programmheft erscheinen, wurden kurzfristig gestrichen. Damit beugt sich auch dieses Haus der political correctnes der neuen Hexenjäger. Schade!

Wieder aufgenommen wird die alte Erfolgsinszenierung der La Gioconda, aus der Besetzung sticht der Enzo Grimaldi Joseph Callejas hervor.

Die museale Tosca wird zweimal mi Anja Harteros gegeben, beim Lohengrin gibt es neben dem obligatorischen Sängerknaben Klaus Florian Vogt als kernige Alternative Piotr Beczala, Christine Goerke als Ortrud und Rachel Willis-Sorensen als Elsa, sowie Günther Groissböck als König Heinrich machen neugierig.

Andreas Schager wird neben Tannhäuser auch den Rienzi singen. Dem stimmgewaltigen Österreicher könnte man sogar beide Rollen an einem Abend zutrauen.

Erfreulich die Wiederaufnahme von dem Wunder der Heliane. Die Korngold –Oper hatte bei ihrer Premiere sensationellen Erfolg, Sara Jakubiak wird auch diesmal die Titelrolle verkörpern.

Das sind im Wesentlichen die Highlights der kommenden Spielzeit, wie am Haus üblich, finden sich neben großen Namen auch viele Unbekannte, was aber vereinzelt auch zu positiven Überraschungen führen kann.

Die Auslastung des Hauses lag in der vergangenen Spielzeit etwas über 70%, das ist im Vergleich zu den beiden konkurrierenden Berliner Häusern schwach, erklärt sich aber aus dem deutlich höheren Platzangebot. Mehr als 1800 Karten wollen erst einmal verkauft werden!

Nur Stunden nach der Pressekonferenz wird die offizielle Schließung des Hauses wegen des Corona-Virus bis Mitte April verkündet. Die Auswirkungen dieser Maßnahme werden möglicherweise bis in die kommende Spielzeit spürbar werden.

Menü schließen