Bayreuth is back! Ein “Fliegender Holländer” mit Licht und Schatten

Bayreuth is back! Ein “Fliegender Holländer” mit Licht und Schatten

Foto: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele (c)

Die Pandemie schwebte bis zuletzt als Damoklesschwert über den diesjährigen Bayreuther Festspielen, im letzten Jahr konnten sie erstmals seit 1951 nicht stattfinden. Diesmal glückte der Spagat mit reduzierter Zuschauerzahl und aus dem Probensaal zugespieltem Chor.

Der fliegende Holländer ist eine besonders bühnenwirksame Oper, sofern man sie dort belässt, wo Wagner sie verortet hat. Inspiriert wurde seine Komposition von einer Überfahrt nach England bei extrem rauer See, Letztere wird in dieser Inszenierung nicht sichtbar. Dafür leitet ein sehr verstörendes Video die Aufführung ein. Ein kleiner Junge wird durch den Selbstmord einer Frau traumatisiert, die wohl seine Mutter war. Zweieinhalb Stunden wartet man auf die Auflösung dieses Rätsels, vergeblich. Was wir sehen, ist ein tristes Dorf, in dem Seeleute in der Kneipe sitzen (1. Aufzug), eine Gruppe von Frauen eine Chorprobe abhält (2. Aufzug) und schließlich eine Schießerei nebst einem Zimmerbrand stattfindet (3. Aufzug).

Gespannt war man zurecht auf das Rollendebüt der Sopranistin Asmik Grigorian als Senta. Die Sängerin, die in den letzten Jahren eine späte, aber verdiente Karriere machte, enttäuscht auch nicht. Schon bei ihrer Ballade überzeugt sie durch Sicherheit der Höhe, saubere Phrasierung und ein schönes, sehr persönliches Timbre. In den Szenen mit Erik und dem Holländer ist ihr großer Sopran durchaus zu Steigerungen fähig, selbst die exponierten Stellen im Finale gelingen sauber und haben die geforderte Durchschlagskraft. Hätte sie auch einen Regisseur an der Seite gehabt, der  mehr als eckige Bewegungen und Grimassenschneiden im Angebot hatte, wäre sie zu einer glaubwürdigen Figur geworden.

Die Personenregie war überhaupt der große Schwachpunkt von Tcherniakovs Regie. Daland und Holländer bewegen sich kaum, dafür müssen Senta und Erik beständig zappeln und aneinander zupfen. Der amerikanische Tenor Eric Cutler, der eigentlich vom Mozart-Fach kommt, ist als Erik ebenfalls ein Bayreuth-Debütant. Er kann insgesamt mit seinem kultivierten, heldischen Tenor überzeugen, lediglich die Stimmführung ist streckenweise etwas flackernd unstet. Ein Fels in der Brandung ist der Daland Georg Zeppenfelds, der seinen warmen, geschmeidigen Bass zuverlässig zum Klingen bringt. Leider muss er permanent von Dingen singen, die auf der Bühne nicht passieren. Eine erfrischend schöne und kräftige Tenorstimme besitzt Attilo Glaser, der den Steuermann eindringlich in den Vordergrund spielte. Auch die Mary von Marina Prudenskaya hatte Gelegenheit ihren satten Mezzosopran gekonnt einzusetzen. Dass sie am Ende den Holländer erschießt, ist ebenso rätselhaft wie unsinnig,

Leider war die Titelfigur mit John Lundgren nicht optimal besetzt. Dem schwedischen Bassbariton geriet die Figur allzu blass und spröde. In allen Duetten wurde er von seinen Partnern zugedeckt, die Stimme ließ Durchschlagskraft und Volumen vermissen. Das Fehlen einer überzeugenden Hauptfigur wirkte sich natürlich nachteilig auf die Dramaturgie der Aufführung aus.

Das Dirigat der ersten Frau, die in Bayreuth dirigierte, Oksana Lyniv, ist im Livestream schwer zu beurteilen, die sensible Abmischung des abgedeckten Orchesters scheint ihr gelungen zu sein. Eine besondere Handschrift war eher nicht zu bemerken, im zweiten Aufzug wurde auch ein wenig geschleppt, aber insgesamt muss man das Debüt als geglückt ansehen.

Eine musikalisch gute, bis sehr gute Aufführung, die einmal mehr die Bürde einer missglückten Regie tragen muss. Am Ende gerecht verteilter Applaus, Jubel für Grigorian, überwiegend Buhs für Tcherniakov.

Richard Wagner

Der fliegende Holländer

Bayreuth, Festspielhaus

Live-Stream vom 25. Juli 2021

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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