Barrie Koskys Káta Kabanová ist trotz aller Abstraktion packend

Barrie Koskys Káta Kabanová ist trotz aller Abstraktion packend

Die Bühne der Felsenreitschule in Salzburg stellt mit ihrem ungewöhnlichen Format eine Herausforderung für jeden Regisseur dar. Einer gewaltigen Ausdehnung in die Breite steht eine vergleichsweise geringe Tiefe gegenüber. Hier ist Kreativität des Regisseurs notwendig, aber darüber verfügt Barrie Kosky in hohem Maße.

Für seine Inszenierung von Janáčeks düsterem Drama lässt er eine große Zahl von menschengroßen Puppen mit dem Rücken zum Publikum die stumme Dorfbevölkerung symbolisieren, die ähnlich einem griechischen Chor, nur stumm, als Zeugen der Geschehnisse dienen. Kosky verzichtet auch auf Bühnenbilder, er baut ausschließlich auf die Ausdruckskraft der Musik und die Spielfreude seiner Solisten.

Das Drama um die unglücklich verheiratete Káťa, die Ehebruch begeht, und daran, wie an der Dominanz ihrer pathologisch bösartigen Schwiegermutter zugrunde geht, und den Freitod in der Wolga sucht, spielt an diesem großen Fluss, der auch in Janáčeks Musik als ständig fließende Bewegung immer präsent ist. Kosky muss ihn nicht optisch zeigen, um ihn spürbar zu machen.

Die Sängerbesetzung ist in dieser Aufführung ein Glücksfall, bis zu den kleinen Rollen erlebt man ein hoch motiviertes, spielfreudiges Ensemble. Zentrale Figur ist die Káťa der Corinne Winters, die ihren herb timbrierten Sopran immer wieder aufblühen lässt, aber auch den spröden Elementen der Rolle mit äußerster Differenzierung gerecht wird. Ihre böse Schwiegermutter, die Kabanicha, wird von Evelyn Herlitzius mit so viel schneidender Kälte und Bosheit ausgestattet, dass ihre Auftritte bei aller Virtuosität schwer erträglich sind. Devot bis zur Selbstverleugnung gibt sich der Sohn und Ehemann Tichon, dem Jaroslav Březina ein glaubwürdiges Profil verleiht. Kátas Liebhaber Boris wird von David Butt Philip mit markantem Tenor in schwärmerischem Ton gesungen, kein Wunder, dass Káťa ihm nicht widerstehen kann. Das junge, unkomplizierte Paar Váňa und Varvara findet in Benjamin Hulett und Jarmila Balážová jugendliche, frische Stimmen, die das tragische Paar konterkarieren.

Als böswilliger, grimmiger Dikoj gelingt Jens Larsen ein Kabinettstück, der in der Szene mit der Kabanicha alle Abgründe von Hörigkeit auslotet. Die Wiener Philharmoniker, mit Janáčeks Musik bestens vertraut, sorgen für einen üppig ausladenden Klang, dem der Dirigent Jakub Hrůša die markanten Akzente vorgibt. Wir erleben so eine Aufführung aus einem Guss, die das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen animiert. Man lernt einmal mehr, dass großes Musiktheater auch ganz ohne Requisite und Bühnenbild auskommt.

Leoš Janáček
Káťa Kabanová

Barrie Kosky   Regie

Wiener Philharmoniker
Jakub Hrůša   Dirigent

Unitel 809204

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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