Für Paul Hindemith war die dreiaktige Oper „Cardillac“ sein erstes abendfüllendes Bühnenwerk. Das Libretto, von Ferdinand Lion verfasst, geht auf die Novelle „Das Fräulein von Scuderi“ von E.T.A. Hoffmann zurück, verändert aber die Handlung und verzichtet auf die Rahmenhandlung mit dem adeligen Fräulein.
Komponiert 1925/26, wurde die Oper am 9. November 1926 in Dresden unter Fritz Busch uraufgeführt. Trotz der wohlwollenden Aufnahme entschloss sich Hindemith später zu einer Umarbeitung, die 1952 das erste Mal aufgeführt wurde. Inzwischen hat sich aber in der Aufführungspraxis die erste Fassung behauptet, die auch der vorliegenden Einspielung zugrunde liegt.
Bestimmt wird das Werk durch eine klare, konsequent eingehaltene Struktur, die es in 18 klar abgegrenzte Szenen einteilt. Jede dieser Szenen ist in sich geschlossen, es gibt keine Überleitungen wie etwa bei Alban Bergs „Wozzeck“. Neben den sieben Solisten kommt auch dem Chor eine bedeutsame Rolle zu, der eine kommentierende Rolle hat.
Hindemiths expressiver Musik gelingt es, einen Spannungsbogen aufzubauen, der die Dichte der Handlung unterstützt. Ein gut harmonierendes Ensemble von Solisten trägt zur Qualität dieser Aufführung wesentlich bei. Der Goldschmied Cardillac wird von Markus Eiche mit wandlungsfähigem Bariton verkörpert, Torsten Kerl setzt seinen heldischen Tenor gekonnt als Offizier ein, Jan-Hendrik Rootering ist als Goldhändler überzeugend, ebenso Oliver Ringelhahn als Offizier und Michaela Selinger als Dame. Ein wenig spröde wirkt Juliane Banse als Tochter des Goldschmiedes. Der Prager Philharmonische Chor setzt starke Akzente, ihm kommt in diesem Werk eine besondere Bedeutung zu.
Stefan Soltész gelingt mit dem Münchner Rundfunkorchester eine packende Realisierung dieser leider selten zu hörenden Partitur.
Anlass für die Veröffentlichung dieses Mitschnittes vom Oktober 2013 aus dem Münchner Prinzregententheater ist der unerwartete tragische Tod des Dirigenten, der vor einem Jahr am Pult des Münchner Nationaltheaters, genau am 22. Juli 2022 während einer Aufführung zusammenbrach und starb. Dieser Mitschnitt ist eine Hommage an den Dirigenten, der sich neben dem klassischen Opernrepertoire auch stark für die Klassiker der Moderne stark machte.
Hindemith
Cardillac
Prager Philharmonischer Chor
Münchner Rundfunkorchester
Stefan Soltész
BR Klassik 900345
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de