„Tannhäuser“ Unter den Linden: Statt Sängerkrieg findet ein Sängerfest statt

„Tannhäuser“ Unter den Linden: Statt Sängerkrieg findet ein Sängerfest statt
Staatsoper Berlin TANNHÄUSER Musikalische Leitung: Daniel Barenboim Inszenierung: Sasha Waltz Bühnenbild: Pia Maier Schriever, Sasha Waltz Kostüme: Bernd Skodzig Licht: David Finn

Wagners romantische Oper Tannhäuser stellt eine Herausforderung für jedes Opernhaus dar. Mindestens vier schwierige Partien wollen adäquat besetzt werden, ein groß dimensionierter Chor ist erforderlich. Selbst ein Haus wie die Berliner Staatsoper Unter den Linden stemmt diese Oper nicht so leicht. Die Neuinszenierung des Jahres 2014 erlebt in diesen Tagen gerade einmal ihre 11. Aufführung.

In der Vorstellung am 4. Mai blieben gefühlt etwa 15-20 % der Plätze leer, beim Wagner-Hunger des Berliner Opernpublikums erstaunlich. An der Besetzung kann es nicht gelegen haben, die von exzellent bis solide reichte. Als Dirigent war Sebastian Weigle, einst Assistent Barenboims am Haus, zu erleben. Er hat das ihm bestens vertraute Orchester und die Koordination mit der Bühne bestens im Griff, setzt zügige Tempi und sorgt mehr für eine solide Aufführung, als für eine Sternstunde.

Marina Prudenskaya © Staatsoper Berlin

Die Akzente setzen an diesem Abend die Sänger. Von der Premierenbesetzung geblieben ist die Venus Marina Prudenskaya, die mit starkem Vibrato, aber sicherer Höhe diese anspruchsvolle Partie bestens beherrscht. Als Lichtgestalt und Star der Aufführung kann Lise Davidsen mit ihrem großen Sopran als Elisabeth punkten. Setzt sie in der Hallenarie und der Verteidigung Tannhäusers ihre Stimme in leuchtendem Forte ein, gelingen ihr mit dem Gebet im dritten Akt auch sehr subtile lyrische Passagen. Die Sängerin, seit dem Gewinn des Operalia-Wettbewerbes 2015 erfolgreich international unterwegs, hält ihr Repertoire vorerst noch klein, aber hier scheint eine Brünnhilde und Isolde der Extraklasse heranzuwachsen.

Lise Davidsen © Staatsoper Berlin

Der junge Bariton Andrè Schuen gibt in dieser Aufführungsserie sein Debüt als Wolfram. Sein schlackenloser, schlank geführter Bariton ist wie geschaffen für diese Partie. Man erkennt in ihm den erfolgreichen Liedersänger, der deutlich zu artikulieren weiß und sich im Gegensatz zu einem berühmten Fachkollegen vor der Überbetonung des Textes hütet, seine Interpretation ist im besten Sinne des Wortes schlicht, trifft aber mit seinem wunderbaren Timbre direkt ins Herz.

Andrè Schuen © Guido Werner

Der Tannhäuser Vincent Wolfsteiners polarisierte deutlich, mir persönlich gefällt sein erdiges, baritonales Timbre. An Kraft für diese wohl schwierigste Tenorpartie Wagners fehlt es dem Münchner nicht, auch singt er erfreulich textverständlich. Ich sehe ihn in einer Traditionslinie mit Hans Beirer und Wolfgang Windgassen, old school also, und meilenweit von dem anämischen Klaus Florian Vogt entfernt, dessen körperlose Stimme heute vielen als ideal gilt.

Die Inszenierung, oder besser Choreographie von Sasha Waltz wirkt nach neun Jahren schon deutlich aus der Zeit gefallen. Das Konzept, die Oper mit unmotiviert auftretenden Tänzern „anzureichern“, wirkt teilweise geradezu lächerlich. Das Venusberg-Bacchanal erschöpft sich mehr in bemühter Leibesübung als Erotik, und für die Deutung des Dramas insgesamt fehlt es Waltz deutlich an handwerklichem Können. Wie schnell doch die Zeit die Mode von gestern steinalt aussehen lässt.

Insgesamt eine Aufführung, die der Staatsoper würdig war. Die kleineren Partien waren solide aus dem Ensemble besetzt, die junge Regina Koncz, Mitglied des Opernstudios, ließ mit einem glasklar und sicher gesungenen Hirtenknaben aufhorchen. Eine sichere Bank auch der bewährte Chor des Hauses, der im Finale zur Höchstleistung auflief. Viel Licht, aber auch Schatten in dieser Aufführung, am Ende Jubel vor allem für Davidsen und Schuen.

Staatsoper Unter den Linden, 4. Mai 2023

Richard Wagner
Tannhäuser

Landgraf Hermann  Grigory Shkarupa

Tannhäuser Vincent Wolfsteiner

Wolfram von Eschenbach Andrè Schuen

Elisabeth Lise Davidsen

Venus Marina Prudenskaya

Inszenierung und Choreographie Sasha Waltz

Dirigent  Sebastian Weigle

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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