Schuberts Lebensweg wird zum Tanztheater

Schuberts Lebensweg wird zum Tanztheater

Der Liederzyklus „Die Winterreise“ von Franz Schubert stellt einen Höhepunkt der Gattung Kunstlied dar, und wird oft mit der Tragik des viel zu kurzen Lebens des Komponisten in Verbindung gebracht. Schubert war zur Zeit der Komposition bereits unheilbar erkrankt, dadurch ist ein autobiographischer Bezug in dem Werk durchaus gegeben.

Der erfolgreiche Regisseur Christof Loy hat im Theater Basel eine sehr bemerkenswerte Produktion unter dem Titel „Eine Winterreise“ herausgebracht, die in Teilen aus Liedern des Zyklus besteht. Loy verknüpft aber auch andere Lieder und Klavierstücke, die ins dramaturgische Konzept passen für diese Collage, ein Pianist, Geige und Viola und vier Tänzer begleiten die Figur Schuberts, der von der Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter verkörpert wird.

Was auf den ersten Blick befremdend wirkt, gewinnt in der großartigen Umsetzung des Konzeptes schnell an Dichte und kann über weite Strecken faszinieren. Loy ist ein echter Menschen-Versteher, was allen seinen Inszenierungen zu Gute kommt. Seine Domäne sind die nicht vordergründigen Zwischentöne, das Aufbrechen der Introvertiertheit. Anne Sofie von Otter, jahrzehntelang gefeierter Star der Opern- und Konzertszene, befindet sich inzwischen im Spätherbst ihrer Karriere. Es gelingt ihr allerdings, die Überreife ihres schönen Mezzosoprans als Stilmittel gekonnt einzusetzen. Die Tragfähigkeit der Stimme ist nach wie vor gegeben, Lieder wie „Der Lindenbaum“, „Die Taubenpost“ und „Im Abendrot“ gelingen ihr mit einer Tiefe des Ausdrucks, die nur einem reifen Menschen zu Gebote stehen.

Begleitet wird sie adäquat vom jungen Pianisten Kristian Bezuidenhout, für einige Stücke wird er vom Geiger Claudio Rado unterstützt.

Zwei Tanzpaare begleiten die Musik in einer sehr sensibel angepassten Choreographie. Kristian Alm, Giulia Tornarolli, Matilda Gustafsson und Nicolas Franciscus verleihen ihrem Tanz größte Intensität und sprechenden Ausdruck. Franciscus rezitiert auch einige nicht vertonte Texte von Dichtern, die allerdings andere Vorlagen für Lieder Schuberts geliefert haben, wodurch der Bezug zu Schuberts Schaffen hergestellt ist.

Ohne dass man als Zuschauer jede einzelne Szene genau deuten kann, rundet sich doch die Aufführung zu einer Seelenbeschreibung Franz Schuberts, dem bekanntlich privates Glück weitgehend versagt blieb. Es ist faszinierend, wie organisch sich Rezitation, Gesang und Tanz in dieser sehr speziellen Winterreise verbinden lassen, der abstrakte dunkle, holzgetäfelte Bühnenraum, eine Spezialität Christof Loy’scher Inszenierungen, verfehlt auch hier seine eher düstere Wirkung nicht.

Einziger kleiner Einwand: mit nahezu zwei Stunden Dauer gerät das Stück ein wenig zu lang, der filigrane Spannungsbogen droht gegen Ende doch einer gewissen Ermüdung zu weichen. In der Summe überzeugt diese Arbeit Loys aber auf der ganzen Linie.

Eine Winterreise

Anne Sofie von Otter   ErKristian Bezuidenhout   Der PianistClaudio Rado   Der GeigerChristof Loy   Konzeption und Regie

Theater Basel

NAXOS NBD 0165V

zuerst etrschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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