Salzburger Festspiele: Andris Nelsons und die Wiener Philharmoniker schwelgen im Wohlklang

Salzburger Festspiele: Andris Nelsons und die Wiener Philharmoniker schwelgen im Wohlklang
© Andris Nelsons 2018 Photo: Marco Borggreve

Gustav Mahlers 6. Symphonie trägt die, allerdings nicht vom Komponisten selbst stammende, Bezeichnung „Tragische“. Entstanden 1904/05, noch vor den schmerzlichen Ereignissen in Mahlers Leben, wie dem Tod der Tochter und dem Zerbrechen seiner Ehe, wirkt sie wie ein Fanal für das kommende persönliche Unglück.

Bei dieser Matinee der Salzburger Festspiele steht sie als einziges Werk auf dem Programm, das gewaltige, annähernd 90 Minuten dauernde Opus widersetzt sich jeglicher Paarung mit anderen Musikstücken. Andris Nelsons, der vor zwei Jahren am gleichen Ort eine denkwürdige Aufführung der 2. Symphonie Mahlers geleitet hatte, beweist erneut seine Kompetenz wenn es um große, ausladende symphonische Werke geht. Der lettische Dirigent, Chef des Leipziger Gewandhausorchesters und des Boston Symphonie Orchestra zählt mit Anfang 40 noch zu der jüngeren Generation von Dirigenten, hat sich aber längst in deren vordersten Reihe etabliert.

Der erste Satz beginnt mit einem heftig vorwärts drängenden Marschmotiv, das kraftvoll und energisch erklingt. Scharf kontrastieren die Bläser den warmen Streicherklang, der ja eines der Charakteristika des Wiener Orchesters darstellt. Lyrische Passagen werden immer wieder abgelöst von dem martialischen Marschrhythmus, der keine Ruhe zulässt.

Das Scherzo wird ebenfalls mit scharfen Akzenten angereichert, man meint, verschiedene Tanztypen wie Menuett und Ländler herauszuhören. Klarinetten und Flöten werden hier keck und stark akzentuiert eingesetzt.

Im 3. Satz, Andante moderato bezeichnet, dominiert ein getragenes, schwermütiges Thema. Die Streicher übernehmen hier die Führung und malen das melancholische Motiv sehr breit und verträumt aus.

Das Finale beginnt mit einem Harfen-Akkord, der den Auftakt zu einem der dramatischsten Passagen in Mahlers Werk bildet. Ein drängendes Marschthema ähnlich dem ersten Satz kontrastiert mit lyrischen Passagen, behält schließlich auch die Oberhand. Zweimal erklingen Fortissimo-Schläge der Pauken, der großen Trommel und eines schneidend niederfahrenden Hammers, die das lyrisch-wehmütige Motiv zum Verstummen bringen.

Dieser Hammer stellt ein Kuriosum dar, er soll laut Mahlers Partiturvermerk einen „Schlag von nicht metallischem Charakter“ erzeugen, also wird ein überdimensionierter Hammer aus Holz verwendet. Es ist ein Hinweis auf die inzwischen stark gestiegenen Aufführungszahlen dieser Symphonie, dass praktisch jedes Orchester von Rang einen solchen Hammer in seinem Instrumenten-Fundus besitzt.

Nelsons Dirigierstil scheint sich ein wenig verändert zu haben. Schien er in früheren Jahren vorgebeugt beinahe in das Orchester hinein zu kriechen, so sucht er heute offenbar mit erhobenem Kopf den Überblick über das, speziell bei Mahler riesige Orchester zu gewinnen. Diese Musik, Spätromantik im Übergang zur Moderne, liegt ihm, genüsslich kostet er die zahlreichen instrumentalen Details der Partitur aus. Die Wiener Philharmoniker lohnen es ihm mit hoch konzentriertem, hingebungsvollem Spiel. Das Werk ist schwere Kost, aber so transparent und differenziert dargeboten findet es doch den Weg zu den begeisterten Zuhörern.

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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