Auf das Gastspiel des Boston Symphony Orchestra durfte man gespannt sein, ist doch sein Chefdirigent Andris Nelsons seit diesem Jahr auch Gewandhauskapellmeister in Leipzig und steht damit gleich zwei der weltbesten Klangkörper vor. Entsprechend groß waren die Erwartungen des Publikums, das sehr im Gegensatz zu den vorangegangenen Konzerten während des Musikfestes Berlin den großen Saal der Philharmonie fast vollständig füllte.
Das einzige auf dem Programm stehende Werk war Mahlers ausladende 3. Symphonie. Dieses Werk stellt selbst im an Superlativen nicht armen Schaffen Gustav Mahlers eine Besonderheit dar. Es ist nicht nur mit gut einhundert Minuten Aufführungsdauer das längste seiner Werke, der erste Satz der Symphonie ist auch der umfangreichste sämtlicher Mahler’schen Symphoniesätze. Das Werk sprengt schon allein formal einige Grenzen und folgt einer durchaus ungewöhnlichen Dramaturgie.
Der erste Satz ist noch deutlich von den Blechbläsern und Pauken dominiert, und bietet den Bostoner Gästen reichlich Gelegenheit ihre Brillanz in diesen Instrumentengruppen zu demonstrieren. Im zweiten und dritten Satz bedient sich Mahler abermals ganz deutlich dem volksliedhaften Ton seiner Wunderhorn-Kompositionen, denen die Symphonien 1-4 allesamt zuzurechnen sind. Menuett und Scherzo, diesmal von den Streichern dominiert bilden einen reizvollen Kontrast zu dem Vorangegangenen. Das immer wieder von ausserhalb des Saales erklingende Posthorn setzt einen besonderen Akzent.
Der vierte, sehr langsam zu nehmende Satz, der mit einem Harfenakkord beginnt, führt schließlich die Gesangsstimme in das Werk ein. „Oh Mensch! Gib acht!“ ist das Altsolo auf einen Text von Friedrich Nietzsche, im fünften, in heiterem Volkston gehalten Satz setzt schließlich der Knaben-und Frauenchor ein. Andris Nelsons greift in diesem Fall auf Leipziger Chöre zurück, so entsteht gleichsam ein joint venture zwischen dem Bostoner und dem Leipziger Orchester. In diesem Satz findet sich bereits eine Vorwegnahme des Liedes von den „Himmlischen Freuden“, das später den Finalsatz der vierten Symphonie bilden wird.
Der sechste und finale Satz, ein feierlich wehmütiges Adagio in dem Mahler wieder das Hauptmotiv des Kopfsatzes in modifizierter Form auf greift mündet in ein weihevolles, beseeltes Finale. Versöhnlich und harmonisch klingt das monumentale Werk aus.
Andris Nelsons besitzt unzweifelhaft großes Charisma. Sein Dirigierstil ist körperbetont, er interpretiert über seine Körpersprache, darin mehreren Dirigenten der jüngeren Generation nicht unähnlich. Dabei sind seine Bewegungen gar nicht sonderlich ausladend, es sind mehr die behutsamen und kleinen Gesten mit denen er seine Musiker führt und lenkt.
Am Ende dieses bemerkenswerten Konzertes langer, begeisterter Applaus eines dankbaren Publikums, das sich zu Recht beschenkt fühlt.
Gustav Mahler Symphonie Nr.3 d-Moll
Zuerst eschienen bei www.klassik-begeistert.de